Spielen: Roman (German Edition)
hast du wohl. Fox und Nox, das sehen wir doch.«
»Ja, na und? Die habe ich für meinen Bruder gekauft. Er ist elf.«
»Gib sie uns.«
»Oh nein«, sagte ich.
Toms Schwester griff nach der Tüte. Ich schwang sie zur Seite. Die andere streckte die Arme aus und stieß mich um.
»Her mit der Tüte«, sagte sie.
»Nein«, entgegnete ich, legte die Arme um sie und ver suchte gleichzeitig, wieder aufzustehen.
Sie stieß mich noch einmal. Ich fiel der Länge nach hin und begann zu weinen.
»Das sind meine!«, rief ich. »Die könnt ihr mir nicht einfach abnehmen!«
»Hast du nicht gesagt, die wären für deinen Bruder?«, sagte die eine, packte die Tüte und riss sie mir aus den Händen. Dann liefen sie schnell über den Rasen und zur Straße und lachten dabei.
»Das sind meine!«, rief ich ihnen hinterher. »Die gehören mir!«
Ich weinte auf dem ganzen Heimweg.
Sie hatten mir meine Süßigkeiten gestohlen. Wie war das möglich? Wie konnten sie einfach zu mir kommen und sie mir abnehmen ? Die Bonbons gehörten doch mir! Ich hatte das Geld von meinem Vater bekommen und war den ganzen weiten Weg zur Fina gegangen! Und dann kamen sie und nahmen mir die Tüte einfach weg! Stießen mich um! Wie konnten sie nur so etwas tun?
Als ich mich unserem Haus näherte, wischte ich mir das Gesicht mit den Ärmeln meines Pullovers ab, blinzelte ein paar Mal und schüttelte leicht den Kopf, damit keiner merkte, dass ich geweint hatte.
Als ich fünf war, hatte Tronds kleine Schwester Wenche einmal mit einem großen Stein nach mir geworfen und mich mitten in den Bauch getroffen. Ich war in Tränen ausgebrochen und zu unserem Gartenzaun gelaufen, hinter dem Vater stand und arbeitete. Ich war mir ganz sicher gewesen, dass er mir helfen würde, aber das wollte er nicht, im Gegenteil, er meinte, Wenche sei nicht nur ein Mädchen, sondern auch ein Jahr jünger als ich, es gebe für mich also keinen Grund, so zu flennen. Er meinte, er schäme sich für mich und dass ich mich wehren müsse, das müsse ich begreifen. Aber ich begriff es nicht, denn wusste nicht jeder, dass es falsch war, mit Steinen zu werfen? Dass es das Schlimmste, das Letzte war?
Vater nicht, oh nein. Er stand mit seinem strengen Blick und seinen verschränkten Armen vor mir und schaute auf die Straße hinaus, wo alle Kinder spielten, nickte in ihre Richtung und sagte, ich solle zu den anderen gehen und weiterspielen, statt ihn zu nerven.
Und die Diebe, die heute meine Süßigkeiten gestohlen hatten, waren Mädchen gewesen. Also war von Vater keine Hilfe zu erwarten.
Ich blieb im Flur stehen, lauschte, zog die Schuhe aus, stellte sie an die Wand und ging vorsichtig die Treppe hoch und in Yngves Zimmer, während mich der Gedanke an die vielen verlorenen Fox und Nox mit neuer Wucht traf und frische Tränen meine Wangen hinabliefen.
Yngve lag auf dem Bauch und las ein Buster, Unterschenkel und Füße pendelten in der Luft. Zwischen sich und dem Heft hatte er eine Tüte Süßigkeiten ausgeleert.
»Warum weinst du?«, fragte er.
Ich erzählte ihm, was passiert war.
»Konntest du nicht einfach weglaufen?«, fragte er.
»Nein, sie haben mir den Weg versperrt.«
»Sie haben dich geschubst. Konntest du sie nicht wegschubsen?«
»Nein, die waren viel größer und stärker als ich«, antwortete ich und schluchzte.
»Deshalb brauchst du doch nicht gleich so zu heulen«, meinte Yngve. »Hilft es, wenn ich dir was abgebe?«
»Ja-a-a«, brachte ich schluchzend heraus.
»Aber viel kriegst du nicht, nur ein bisschen. Das und das und das und das, zum Beispiel. Und vielleicht noch das hier. So. Geht es dir jetzt besser?«
»Ja«, sagte ich. »Kann ich hier ein bisschen sitzen bleiben?«
»Du kannst bleiben, bis du die Bonbons aufgegessen hast. Dann musst du gehen.«
»Okay.«
Als ich die Süßigkeiten gegessen und mir das Gesicht mit kaltem Wasser gewaschen hatte, fühlte es sich an, als würde ich neu anfangen. Ich hörte, dass Mutter in der Küche war, sie kochte, das Rauschen der Dunstabzugshaube drang an mein Ohr. Von Vater hatte ich in der ganzen Zeit, die ich mich oben aufgehalten hatte, nichts gehört, so dass er höchstwahrscheinlich in seinem Arbeitszimmer saß.
Ich ging in die Küche und setzte mich auf einen Stuhl.
»Hast du dir Samstagssüßigkeiten gekauft?«, fragte Mutter. Sie stand am Herd und wendete etwas in der Bratpfanne, was Hackfleisch zu sein schien. Es zischte und brutzelte. Auf der anderen Platte stand ein Topf und brodelte kaum hörbar unter
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