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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Beispiel. »Wo steckt dein Vater denn heute? Sitzt er zu Hause und korrigiert Arbeiten?«
    Die Jugendlichen, die hier herumhingen, gingen in die Gesamtschule. Sie trugen Jeans- oder sogar Lederjacken, häufig mit aufgenähten Abzeichen, auf denen Pontiac oder Ferrari oder Mustang stand. Ein paar von ihnen hatten sich Taschentücher um den Hals gebunden. Alle hatten lange Haare, die ihnen in die Augen fielen. Und wenn ihnen die Haare lästig wurden, warfen sie den Kopf zurück. Im Freien spuckten sie ständig aus und tranken Cola. Manche schütteten Erdnüsse in die Flasche, so dass sie gleichzeitig aßen und tranken. Fast alle rauchten, obwohl sie das eigentlich gar nicht durften. Die jüngsten kamen mit Fahrrädern, die ältesten mit Mopeds, und manchmal gesellten sich noch ältere Jungen zu ihnen, die in Autos vorfuhren.
    Hier war das Böse. Mopeds, lange Haare, Rauchen, Schule schwänzen, Glücksspiel, alles, was an dieser Tankstelle vorging, war böse.
    Ihr Gelächter, das mir stets entgegenschlug, wenn ihnen einfiel, dass ich der kleine Knausgård war, gehörte zu den Dingen, die ich am meisten fürchtete. Ich konnte doch nichts erwidern, musste stattdessen einfach den Kopf senken, zur Ladentheke hasten und kaufen, was ich haben wollte.
    »Der kleine Knausgård hat Angst!«, riefen sie dann manchmal, wenn sie in der Stimmung dazu waren. Ebenso oft, wie sie etwas riefen, ließen sie mich jedoch in Ruhe. Man wusste nie, was einen erwartete.
    Diesmal ließen sie mich in Ruhe. Drei von ihnen standen um einen Spielautomaten herum, vier saßen an einem runden Tisch und tranken Cola, außerdem waren da noch drei Mädchen, die mit geschminkten Gesichtern am hintersten Tisch im Raum saßen und kicherten.
    Ich kaufte für mein ganzes Geld Fox-Zitronenbonbons und Nox-Lakritzbonbons, es waren viele, und der Verkäufer füllte sie für mich in eine durchsichtige Plastiktüte, dann eilte ich hinaus.
    Die Kiesböschung hinauf, wo die Luft kühl war, weil die Sonne dort nicht mehr schien, und auf den Waldweg. Das hat ja ganz gut geklappt, sagte ich und ließ den Blick zwischen den vielen Baumstämmen durch den Saal schweifen, um zu sehen, ob sich dort etwas bewegte. Aber wie soll ich es jetzt eigentlich machen?, sagte ich. Sie abwechselnd essen oder erst alle Fox und danach alle Nox?
    Plötzlich raschelte es rechts von mir im Unterholz.
    Ich blieb stehen, starrte in die Richtung und wich sicherheitshalber ein paar tastende Schritte zurück.
    Es raschelte wieder.
    Was mochte das sein?
    »Hallo?«, sagte ich. »Ist da jemand?«
    Es blieb still.
    Ich bückte mich, nahm einen Stein in die Hand, schmiss ihn mit Wucht in die Büsche und lief anschließend so schnell ich konnte aufwärts. Als ich stehen blieb und sah, dass mir keiner folgte, lachte ich.
    »Dir habe ich es aber gegeben!«, rief ich und ging weiter.
    Was die Toten betraf, so war das Wichtigste, nicht an sie zu denken. Immer an etwas anderes zu denken. Denn wenn man erst einmal anfing, an die Toten zu denken, dass sie hier waren, zum Beispiel hinter der Fichte dort hinten, war es plötzlich unmöglich, an etwas anderes zu denken, und man bekam immer größere Angst. Schließlich blieb einem nichts anderes übrig, als mit einem wild hämmernden Herzen in der Brust und einem Schrei, der sozusagen überall in einem gellte, loszurennen.
    Auch wenn diesmal alles gut gegangen war, war ich deshalb trotzdem erleichtert, als sich der Weg öffnete und die ebene Fläche mit der Siedlung vor mir lag.
    Die Luft, die ganz klar gewesen war, als ich zu Hause aufgebrochen war, hatte etwas Gräuliches bekommen, wie sie dort über dem Feld und zwischen den Häusern an der Straße hing.
    Ich lief ein wenig.
    Vor einem der Häuser an der Straße standen zwei Mädchen. Als ich über das Gras ging, schauten sie zu mir hinüber und liefen dann auf mich zu.
    Was wollten sie?
    Ich sah sie näher kommen, ging aber weiter.
    Sie blieben direkt vor mir stehen.
    Die eine war die Schwester von Tom, einem der ältesten Jungen in der Siedlung, der ein eigenes rotes und glänzendes Auto besaß. Die andere hatte ich noch nie gesehen. Sie waren mindestens zehn.
    »Wo bist du gewesen?«, fragte die eine.
    »In der Fina«, antwortete ich.
    »Was hast du da gemacht?«, wollte die andere wissen.
    »Nichts«, sagte ich und wollte weitergehen.
    Sie stellten sich so, dass ich nicht an ihnen vorbeikam.
    »Hört auf damit«, sagte ich. »Ich will nach Hause.«
    »Was hast du da in der Tüte?«
    »Nichts.«
    »Doch,

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