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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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dir das sagen soll.«
    »Ist sie hier gewesen und dann wieder weggefahren?«
    Ich nickte.
    »Warum das? Wo ist sie denn hin?«
    »Sie ist eine Badekappe kaufen. Ich habe heute meinen Schwimmkurs.«
    Die Verärgerung in dem Blick, mit dem er mich ansah, war unübersehbar. Aber die Situation war noch nicht abgeschlossen, ich konnte mich nicht einfach umdrehen und gehen.
    Dann nickte er in Richtung meines Zimmers, und ich ging hinein und war froh, so leicht davongekommen zu sein.
    Zehn Minuten später rief er uns herein. Wir schoben uns aus unseren Zimmern in den Flur, zogen behutsam den Stuhl an unserem Platz am Tisch heraus, setzten uns, warteten, bis Vater Kartoffeln, ein Kotelett, einen kleinen Haufen gebräunter Zwiebeln und ein paar gekochte Möhren auf den Teller gelegt hatte, ehe wir mit geradem Rücken und abgesehen von Unterarmen, Mund und Kopf vollkommen still sitzend anfingen zu essen. Die Mahlzeit nahmen wir schweigend ein. Als die Teller bis auf die abgenagten Knochen und die Kartoffelschalen leer waren, bedankten wir uns für das Essen und kehrten in unsere Zimmer zurück. Vater kochte in der Küche Kaffee, wie ich dem anschwellenden Pfeifen entnahm, das von dort an mein Ohr drang. Kurz nachdem es aufgehört hatte, ging er, sicher mit einer Tasse Kaffee in der Hand, in sein Arbeitszimmer. Ich lag auf dem Bett und las, wobei meine Aufmerksamkeit unablässig auf die Geräusche vor dem Haus gerichtet waren, vor allem auf die Motorengeräusche der vorbeifahrenden Autos, und Mutters schnappte ich schon auf, als sie viel weiter unten in die Straße einbog, denn das Geräusch ihres Käfers war unverkennbar, und selbst wenn ich mich geirrt hätte, wäre ich mir meiner Sache absolut sicher gewesen, als der Wagen Sekunden später in die Ringstraße einbog. Ich stand auf und ging in den Flur über der Treppe. Da Vater sich im Arbeitszimmer aufhielt, war dies der beste Ort, um auf sie zu warten.
    Die Tür wurde geöffnet, und ich hörte, wie sie erst ihre Stiefel und danach die Jacke auszog, die sie auf den Kleiderständer in der Ecke hing, und anschließend hörte ich ihre Schritte über den Teppich im unteren Flur, die sich, sobald sie die Treppe hochstieg, mit ihrem Anblick verbanden.
    »Hast du eine gekauft?«, fragte ich.
    »Ja, es hat geklappt«, antwortete sie.
    »Darf ich sie mal sehen?«
    Sie reichte mir die weiße Intersport-Tüte in ihrer Hand. Ich öffnete sie und zog die Badekappe heraus.
    »Aber Mama, da sind ja Blumen drauf!«, rief ich. »Ich kann doch keine Badekappe mit Blumen anziehen! Das geht doch nicht! Das ist ja eine Badekappe für Frauen! Du hast eine Damenbadekappe gekauft!«
    »Findest du sie nicht schön?«, fragte sie.
    Ich stand da und blickte mit Tränen in den Augen auf die Badekappe. Sie war weiß, und die Blumen, mit denen sie dekoriert war, waren nicht nur ein aufgedrucktes Muster, sondern bestanden aus kleinen, plastisch hervorgehobenen Blütenimitationen aus Plastik.
    »Du musst sie sofort umtauschen«, sagte ich.
    »Aber mein Schatz, die Geschäfte sind jetzt zu. Das geht nicht.«
    Sie legte die Hand auf meinen Kopf und sah mich an.
    »Findest du sie so hässlich?«, fragte sie.
    »Mit der Mütze kann ich nicht zum Schwimmkurs gehen. Ich gehe nicht hin, ich bleibe zu Hause.«
    »Aber Karl Ove«, sagte sie.
    Inzwischen liefen mir Tränen die Wangen herab.
    »Du hast dich doch so auf den Schwimmkurs gefreut«, sagte sie. »Was macht das schon, wenn da Blumen auf der Bademütze sind? Du kannst doch trotzdem hingehen. Dann kaufen wir vor dem nächsten Mal eben eine neue. Die hier kann ich ja benutzen. Ich brauche ohnehin eine Badekappe. Und ich finde die Blüten jedenfalls hübsch.«
    »Du verstehst mich nicht«, sagte ich. »Das geht nicht. Das ist eine Damenbadekappe !«, rief ich fast.
    »Ich finde, du übertreibst«, entgegnete Mutter.
    Im selben Moment wurde die Tür von Vaters Arbeitszimmer zugeknallt. Eine Situation wie diese witterte er aus mehreren Kilometern Entfernung. Blitzschnell wischte ich mir die Tränen aus den Augen und legte die Badekappe in die Tüte zurück. Aber es war zu spät, er war schon auf dem Treppenabsatz.
    »Und?«, sagte er fragend.
    »Karl Ove gefällt die Badekappe nicht, die ich für ihn gekauft habe«, erläuterte Mutter. »Deshalb will er jetzt nicht zum Schwimmkurs gehen.«
    »So ein Unsinn!«, sagte Vater. Er kam die Treppe hoch und hob mit einer Hand mein Kinn an.
    »Du gehst zu diesem Schwimmkurs mit der Badekappe, die deine Mutter für dich

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