Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
Vom Netzwerk:
wohnte.
    Als ich in den Hausflur trat, blieb ich kurz stehen. Ich hörte nichts Ungewöhnliches und bückte mich, um meine Schuhe auszuziehen.
    Die hintere Tür wurde geöffnet. Ich zog einen Schuh aus und stellte ihn an die Wand. Die zweite Tür ging auf, und Vater stand vor mir.
    Ich stellte den zweiten Schuh ab und richtete mich auf.
    »Wo bist du gewesen?«, fragte Vater.
    »Im Wald.«
    Plötzlich fiel mir meine Erklärung ein, und ich ergänzte mit gesenktem Blick: »Und dann noch oben auf dem Hügel.«
    »Was hast du da in der Tüte?«
    »Ein paar Comics.«
    »Wo hast du die her?«
    »Ich habe sie mir von einem Jungen geliehen, der Jørn heißt. Er wohnt da oben.«
    »Lass mal sehen«, sagte Vater.
    Ich reichte ihm die Tüte. Er warf einen Blick hinein und nahm das Tex-Willer -Taschenbuch heraus.
    »Das nehme ich«, sagte er und kehrte in sein Arbeitszimmer zurück.
    Ich ging in den anderen Flur und wollte gerade die Treppe hochsteigen, als er mich rief.
    Hatte er etwas gemerkt? Roch das Buch vielleicht nach Müll?
    Ich drehte mich um und ging hinunter, wobei meine Beine so schlotterten, dass sie mich kaum trugen.
    Er stand in der offenen Tür.
    »Du hast noch gar kein Taschengeld bekommen«, sagte er. »Yngve hat seins schon. Hier.«
    Er legte eine Fünfkronenmünze in meine Hand.
    »Oh, vielen Dank!«, sagte ich.
    »Der B-Max hat allerdings schon zu«, sagte er. »Wenn du dir Süßigkeiten kaufen willst, musst du zur Fina hinuntergehen.«
    Bis zur Fina war es weit. Erst der lange Hang, dann das lange flache Straßenstück, auf das der weite Weg durch den Wald bis zu dem Kiesweg folgte, der in die Hauptstraße mündete, an der die so fantastische wie böse Tankstelle lag. Der Hang und die flache Strecke waren kein Problem, dort waren auf beiden Straßenseiten überall Häuser, Autos und Menschen. Der Waldweg war schlimmer, denn schon nach wenigen Metern verschwand man zwischen den Bäumen, wo es weder Menschen noch etwas von Menschenhand Geschaffenes gab. Nur Blätter, Büsche, Stämme, Blumen, die eine oder andere sumpfige Stelle, den einen oder anderen Hügel mit gefällten Bäumen, die eine oder andere Wiese. Wenn ich den Waldweg nahm, sang ich deshalb immer. Flog ein kleiner Bläuling, die Bären schlafen, ich zog aus über See und Land. Wenn ich sang, hatte ich das Gefühl, nicht allein zu sein, obwohl ich es natürlich war. Es kam mir vor, als wäre der Gesang ein anderer Junge. Wenn ich nicht sang, redete ich mit mir selbst. Ich frage mich, ob auf der anderen Seite jemand wohnt, sagte ich. Oder ob dieser Wald ewig weitergeht. Nein, das tut er natürlich nicht, wir wohnen ja auf einer Insel. Also kommt irgendwann das Meer. Ob die Dänemarkfähre jetzt zu sehen ist? Ein Nox kaufe ich mir und ein Fox. Fox und Nox, Nox und Fox. Fox und Nox, Nox und Fox.
    Zu meiner Rechten öffnete sich unter den Baumwipfeln eine Art Saal. Es waren Laubbäume, sie waren hoch, und ihre Wipfel bildeten ein so dichtes Dach, dass auf dem Waldboden darunter kaum etwas wuchs.
    Kurz darauf gelangte ich auf den Kiesweg, folgte ihm an dem alten, weißen Haus und der alten, roten Scheune vorbei und hörte das Rauschen der Autos auf der Hauptstraße unter mir. Als ich sie erreichte, lag fünfzig Meter weiter die Tankstelle in all ihrer Pracht.
    Die vier Tanksäulen hielten routiniert grüßend die Hand an die Schläfe. Das große, weiße Plastikschild mit der Aufschrift FINA in blauen Buchstaben leuchtete blass an der Spitze des hohen Mastes. Dort parkte ein Lastwagen mit Anhänger, und der Fahrer hatte die Arme auf das offene Fenster gelegt und unterhielt sich mit jemandem, der unter ihm stand. Vor dem Kiosk parkten drei Mopeds. Ein Auto hielt an einer der Tanksäulen, ein Mann, dessen Gesäßtasche von einem Portemonnaie ausgebeult wurde, stieg aus und steckte den Zapfhahn in den Tank. Ich blieb vor ihm stehen. Die Pumpe begann zu surren, die Zahlen in dem, was ich mir als Gesicht vorstellte, ratterten los. Es sah aus, als würden seine Augen blitzschnell zwinkern. Während sich dies abspielte, schaute der Mann in eine andere Richtung, was ich als eine souveräne Geste auffasste, nicht im Auge behalten zu müssen, was passierte. Dieser Mann wusste, was er tat, das stand fest.
    Ich ging zum Kiosk und öffnete die Tür. Mein Herz pochte, denn man wusste nie, was einen in dem Laden erwartete. Würde mich jemand ansprechen? Einen Witz machen, so dass alle anderen lachten?
    »Da haben wir ja den kleinen Knausgård«, sagten sie zum

Weitere Kostenlose Bücher