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Spielen: Roman (German Edition)

Spielen: Roman (German Edition)

Titel: Spielen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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deshalb meinen Ranzen benötige.
    In der Zwischenzeit hatte ich eine Methode ausgeklügelt, die ich anwenden konnte, sobald das Wetter im Herbst und Winter wie an diesem Tag schlechter sein würde. Im Heizungskeller gab es nämlich ein kleines Fenster, das zwar eher eine Luke, aber dennoch so groß war, dass ich mich würde hindurchschlängeln können. Stand ich draußen auf dem Rasen, befand es sich etwa einen halben Meter über meinem Kopf. Ich hatte mir Folgendes überlegt. Wenn ich das Fenster am Morgen öffnete, was nicht besonders riskant war, denn selbst wenn man die beiden Fensterhaken öffnete, lag die Scheibe ganz dicht am Rahmen an, dann konnte ich bei meiner Rückkehr den Mülleimer dorthin ziehen, mich auf ihn stellen, mich anschließend durch das Fenster in den Heizungskeller zwängen, die Tür von innen öffnen, den Mülleimer zurückstellen, das Fenster schließen und anschließend im Haus sein, ohne dass jemand merkte, dass ich unfähig war, den Schlüssel zu benutzen. Der einzige Unsicherheitsfaktor war der Moment, in dem die Fensterhaken geöffnet werden sollten. Wenn es regnete, war es jedoch ganz natürlich, dass ich in den Heizungskeller ging, da dort meistens unsere Regen jacken hingen, um dann einfach die Haken zu öffnen, was man nur beobachten konnte, wenn man direkt an der Tür stand. Und so dumm war ich nicht, etwas Derartiges in Angriff zu nehmen, wenn Vater sich im Flur herumtrieb!
    Ich aß meine drei Brote und trank das Glas Milch, putzte mir im Badezimmer die Zähne, holte den Ranzen aus dem Zimmer, ging die Treppe hinunter und in den schmalen, warmen Raum mit den beiden Boilern. Sekundenlang blieb ich regungslos stehen. Als auf der Treppe keine Schritte zu hören waren, reckte ich mich hoch und öffnete die Haken. Danach zog ich meine Regenkleider an, hievte mir den Ranzen auf den Rücken, ging in den Flur, wo meine Stiefel standen, ein blauweißes Paar Viking-Stiefel, die ich bekommen hatte, obwohl ich mir ein Paar ganz weiße gewünscht hatte, rief Vater Tschüss zu und lief hinaus, zu Geir hinauf, der den Kopf aus dem Fenster steckte und mir zurief, dass er noch frühstücke, aber gleich herunterkommen werde.
    Ich ging zu einer der großen Wasserpfützen in ihrer Einfahrt und begann Steinchen in sie zu werfen. Ihre Einfahrt war nicht mit Kies bedeckt wie die meisten anderen, auch nicht mit Steinplatten, wie bei Gustavsens, sondern mit festgestampfter, etwas rötlicher Erde, in der lauter kleine, runde Steine steckten. Es war nicht das Einzige, was bei ihnen an ders war. Auf der Rückseite des Hauses hatten sie keine Rasenfläche, sondern ein kleines Feld, auf dem sie Kartoffeln, Möhren, Kohlrabi, Radieschen und verschiedene andere Gemüsesorten anbauten. Zum Wald hin stand kein Holzzaun wie bei uns oder Maschendrahtzaun wie bei vielen anderen, sondern eine Mauer, die Prestbakmo selbst hochgezogen hatte. Sie warfen auch nicht ihren gesamten Müll in die Tonne, wie wir es taten, sondern bewahrten beispielsweise Milch- und Eierkartons auf, die sie für verschiedene Dinge benutzten, und kippten ihre Essensreste auf einen Komposthaufen an der Mauer.
    Ich richtete mich auf und blickte zum Zementmischer hinüber. Der runde, grüne Kopf war teilweise mit einer weißen Plane abgedeckt, die einem Kopftuch ähnelte. Der Mund stand offen, er war zahnlos und sehr groß, was sah die Frau nur, dass es sie so verblüffte?
    Geir Håkons Vater fuhr in seinem grünen Taunus die sanft abfallende Straße hinunter. Ich grüßte ihn, und er hob im Gegenzug ganz kurz die Hand vom Lenkrad.
    Plötzlich dachte ich an Anne Lisbet. Der Gedanke schoss aus meinem Bauch hoch und breitete sich in meiner Brust aus wie eine Explosion der Freude.
    Am Freitag war sie nicht in der Schule gewesen. Solveig hatte gesagt, sie sei krank. Aber heute war Montag, also war sie bestimmt wieder gesund.
    Oh, sie musste einfach wieder gesund sein!
    Ich brannte darauf, zum B-Max zu kommen und sie zu sehen.
    Ihre schwarzen, leuchtenden Augen. Die fröhliche Stimme.
    »Geir! Kommst du bald?«, rief ich.
    Hinter der Tür ertönte dumpf seine Stimme. Im nächsten Augenblick riss er die Tür auf.
    »Wollen wir den kleinen Weg nehmen?«, fragte er.
    »In Ordnung«, sagte ich.
    Also liefen wir hinters Haus und kletterten über die Steinmauer, die parallel zum Weg verlief. Statt wie bisher aus einer Menge von Grassoden mit kleinen, trockenen Kanälen dazwischen zu bestehen, hatte sich das sumpfige Gelände inzwischen mit Wasser

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