Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
Vom Netzwerk:
Apokalypse im Mami-Modus läuft, ihnen eine Schale mit Knabberzeug hinstellt. »Was meinen Sie«, fragt sie Rick, »ein einzelner Heckenschütze oder einer von vielen?«
    »Keine Ahnung«, antwortet Rick. »Ich versuche mir auszurechnen, woher die Schüsse kamen. Soweit ich das sagen kann, von direkt über uns.«
    »He!«, unterbricht ihn Luke. »Funktioniert das Telefon da?«
    Alle begreifen sofort: ein Festnetzanschluss . Karen nimmt den Hörer ab, hört ein Freizeichen und wählt 911. Das Geräusch an ihrem Ohr ist laut. Das Telefon klickt, wählt, klickt wieder und spielt dann, ausgerechnet, eine automatische Tornadowarnung ab. »Keine große Überraschung. Hat irgendwer von euch Kinder?«
    »Einen Jungen«, erwidert Rick. »Tyler. Die Schule ist für heute aus. Er ist vielleicht schon zu Hause.« Er verstummt.
    »Okay«, sagt Karen, »während wir überlegen, wie wir sonst Hilfe kriegen können, nehm ich einen Drink. Sonst noch jemand?«
    Das Quartett setzte sich mit seinen Drinks hinter die Theke, in die Mitte zwischen beide Ausgänge – der sicherste Ort, wie es aussah. Sie spekulierten, was für ein Chaos in der Welt draußen zweifellos entstehen würde, Anklänge an die Ölkrise von 1973, nur viel, viel schlimmer: Den Leuten würde nur noch so viel Benzin zur Verfügung stehen, wie sie im Tank hatten, es reichte vielleicht gerade noch, um ein paarmal zur Arbeit zu fahren – obwohl die Arbeit vermutlich mittlerweile auch passé war. Den eigenen Nachbarn für eine Tankfüllung umbringen? Warum nicht? Würde das Militär eingreifen? Oh, bitte . Karen erinnerte sich, vor ein paar Monaten einen Truck gesehen zu haben, der nach Militär aussah, aber sie war sich nicht sicher, ob er echt gewesen war oder für irgendwelche Filmaufnahmen diente.
    Die Gesellschaft war eingefroren, und Tauwetter war nicht in Sicht. Keine preiswerten, leicht verfügbaren Lebensmittel mehr, keine Reisen und höchstwahrscheinlich auch keine Mittelschicht mehr.
    Karen spürte an Luke eine gewisse Traurigkeit angesichts der zerbröckelnden Gesellschaft. Rachel waren keinerlei Emotionen anzusehen.
    Es entstand eine Pause, dann sagte Rachel: »Als ich klein war, musste ich Kurse nehmen, in denen man mir beibrachte, mit normalen Menschen umzugehen.«
    »Was meinst du damit?«, fragte Karen in der gespannten Erwartung, endlich etwas über die Frau in dem Dreitausend-Dollar-Chanel-Kleid (oder einer sehr guten Kopie davon) zu erfahren.
    »Wie man eure Laute interpretiert und die Dinge, die ihr tut. Lachen zum Beispiel. Medizinisch, klinisch, habe ich keinen Sinn für Humor. Eine Funktionsstörung in meiner rechten Hirnhälfte führt bei mir zu Tonblindheit, die mich sehr dabei behindert, das zu erfassen, was ihr Humor, Ironie, Leidenschaft und Gott nennt. Eine andere Störung nimmt meiner Stimme Modulation und Klangfarbe. Die Leute sagen, ich klänge wie ein Roboter. Ich kann das nicht beurteilen.Und schließlich habe ich noch das mit dem Autismus verwandte Gesichtsblindheitssyndrom. Womit ich nur sagen will, dass ich, wenn Menschen Lachlaute erzeugen, erst mal mit Panik zu kämpfen habe.«
    »Gibt es eine Bezeichnung für deine Krankheit?«
    »Es sind mehrere. Einmal habe ich eine Autismusspektrumsstörung. Ich habe Hemmungen, aber auch Schwierigkeiten mit der Impulskontrolle und eine milde Form von Zwangsstörung. Meine Sequenzierungsfähigkeiten liegen im Bereich des oberen halben Prozents. Ich habe Pi bis knapp über tausend Stellen hinterm Komma im Kopf.«
    »Solche Menschen sind mir auch schon in der Praxis begegnet, in der ich arbeite – in der ich gearbeitet habe. Kannst du Gesichter unterscheiden?«
    »Nein.«
    »Kannst du erkennen, ob laute Menschen wütend oder fröhlich sind?«
    »Ein bisschen. Aber im Sozialen Kompetenztraining habe ich eine Reihe von Fragen eingeübt, mit denen man emotionale Extremsituationen wie unsere hier neutralisieren kann.«
    »Als da wären?«
    »Zum Beispiel kann man neurotypische Menschen immer fragen, was sie von Beruf sind und was sie durch ihre Arbeit gelernt haben. Und da ich glaube, dass wir alle gerade etwas Ablenkung gebrauchen könnten, werde ich dieses Verfahren jetzt anwenden. Luke, Sie haben ein Bündel Geldscheine in der Tasche und kürzlich erst Ihren Glauben verloren. Könnten Sie uns mehr darüber erzählen, was Sie tun?«
    Luke wartete, bis Karen ihm seinen Drink gereicht hatte, dann sagte er: »Bis heute Morgen war ich Pastor in einer netten kleinen Kirche neben einer Freewayausfahrt in

Weitere Kostenlose Bücher