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Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Spieler Eins - Roman in 5 Stunden

Titel: Spieler Eins - Roman in 5 Stunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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bloß industrielle Produktionszyklen, die euch weit besser regieren, als jeder Diktator es könnte. Ihr wartet und wartet, dass sich der Sinn eures Lebens offenbart, dochdazu wird es nie kommen. Arbeit, Arbeit, Arbeit: Kein Sinn, keine Story. Kein Heureka! Nur Produktionspläne und Tage . Ihr alle könntet genauso gut in einem Fotokopierer leben. Für euch wird das Leben nicht mehr interessanter.«
    »Da gebe ich ihm recht«, sagt Rachel und schreckt damit die anderen auf.
    »Im Ernst?«, fragt Rick, aufrichtig überrascht.
    »Nicht mit dem Alles-ist-sinnlos. Aber damit, dass alle gleich sind. Ich kann Gesichter nicht auseinanderhalten. Es ist schwer, die individuellen Merkmale zu erkennen. Als mein Highschool-Jahrbuch herauskam, war es, als blickte ich in tausend identische Gesichter. Ich konnte nicht mal mich selbst darin finden.«
    »Ich finde dich einzigartig«, sagt Rick.
    »Ach wirklich?«
    »Ja. Nicht nur, weil du so schön bist. Auch wegen deiner Mäuse. Und weil du so gründlich über alles nachdenkst. Ich glaube, ich habe noch nie im Leben jemand so konzentriert nachdenken sehen.«
    Rachel gesteht: »Als ich vorhin nach dem Ölpreis schauen sollte, habe ich in Wirklichkeit nach dem Marktpreis für weiße Mäuse geguckt.«
    »Und jetzt hast du ein schlechtes Gewissen. Damit hätten wir den offiziellen Beweis, dass du ein menschliches Wesen bist. Willkommen im Club.«
    »Im Ernst? Es gibt einen Club?«
    »Nein, noch nicht. Aber ich gründe hiermit einen und lade dich ein, Mitglied zu werden.«
    Rachel geht zu Rick hinüber und sagt wie hypnotisiert: »Dankeschön.«
    Rick erwidert: »Was ist am Normalsein denn so toll? Hat dir das Normale je was eingebracht?« Rachel lächelt.
    »Sagt mal, was soll das hier eigentlich werden?«, meckert Bertis dazwischen.
    »Werden?«, fragt sie.
    »Warten wir hier auf die Polizei? Soll das so eine billige Bürgerfestnahme sein? Soll ich vor Gericht gezerrt werden? Ich war da draußen, und glaubt mir, vor einer Woche wird sich hier kein Bulle blicken lassen.«
    »Wie ist es da draußen?«, fragt Karen.
    Luke, der bislang ziemlich still war, sagt: »Einen Augenblick bitte, Karen.« Er reißt das Gewehr hoch und schießt damit vor Bertis in den Fußboden, wobei er einen von dessen Füßen trifft. Bertis schreit auf und jault dann: »Warum zum Teufel haben Sie das getan?«
    »Irgendwas musste ich dir einfach antun. Ich habe es satt, auf das Gesetz zu warten. Und wie ich die Gerichte in diesem Land kenne, wird man dich, statt dich im Knast verrotten zu lassen, mit einem Life Coach und einem Dutzend Trinkpäckchen Orangensaft nach Disneyland schicken.« Luke legt Bertis’ Karabiner auf der Theke ab. Zu Bertis sagt er: »Das war mehr als befriedigend, und du hast es mehr als verdient.«
    »Dafür wirst du in der Hölle schmoren.«
    »Das musst ausgerechnet du sagen.«
    Der Teppichboden um Bertis’ Fuß herum sieht aus wie ein überfahrenes Eichhörnchen, aber Karen hat schon Schlimmeres gesehen. Obwohl es schwerfällt, Mitgefühl für Bertis zu empfinden, tritt sie hinter die Theke, holt eine Flasche Wodka aus den hinterspiegelten Regalen und geht damit zu Bertis hinüber. »Ich werde das desinfizieren.«
    Bertis begutachtet mit grimassierendem Gesicht seinen zertrümmerten Zeh. Er wirft finstere Blicke in die Runde, und seine Stimme wird grollender, als Karen die Wodkaflasche aufschraubt: »Ihr alle betet ein Gebet – ein Gebet von so tief drinnen, so inbrünstig, eindringlich und fest, dass ihr kaum merkt, dass ihr es betet. Es kommt von jenem besseren Ort in euch – dem Ort, der rein geblieben ist. Ihr werdet niemals zu ihm hinfinden, aber ihr wisst, dass er existiert.«Bertis funkelt einen etwa einen Meter achtzig großen Pappaufsteller an, der Werbung für chilenischen Wein macht. »Ich muss meine Taten vor dieser Welt nicht rechtfertigen. Die einzige gültige Perspektive, aus der man richten kann, ist die Ewigkeit.«
    »Ist ja reizend«, meint Luke.
    Bertis kneift die Augen zusammen. »Du glaubst nicht an den Glauben, stimmt’s?«
    »Da hast du dir einen seltsamen Tag ausgesucht, mich so was zu fragen.«
    Rachel erklärt: »Luke war bis gestern noch Pastor. Dann hat er seinen Glauben verloren, hat zwanzigtausend Dollar vom Konto seiner Gemeinde gestohlen und ist losgeflogen, hier zu diesem Flughafen, im Grunde rein zufällig.« Sie blickt Luke Bestätigung heischend an.
    »Timing ist alles«, sagt Luke. Karen schnappt sich eine weiße Stoffserviette, reißt sie in der

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