Spieler Eins - Roman in 5 Stunden
die Leute durch und, keine Ahnung, zehntausend Menschen oder so versuchten den Flughafen zu erreichen, um noch nach Hause zu fliegen. Aber die Flüge waren doch alle abgesagt – was haben die denn geglaubt? Es gibt kein Benzin mehr. Und dann kam plötzlich so ein Kerl und hat uns mit einer Waffe bedroht, und sein Kumpel fing an, den Sprit aus unserm Tank zu zapfen. Da waren Polizisten ganz in der Nähe, aber keiner von denen hat was unternommen. Der Typ stand einfach mit seiner Knarre da, und der andere hat unsern Tank leergemacht und dann meinen Dad gezwungen, den Autoschlüssel in den Tank zu werfen, damit wir nicht mit dem Rest, der noch drin war, wegfahren konnten.«
Luke hebt vorsichtig Max’ linken Arm und spült ihn mit dem Eiswasser ab.
»Und dann?«, fragt Karen.
»Dann kamen die Explosionen.«
»Woher kamen die?«
»Ich weiß nicht. Keiner wusste es. Wir sahen, dass der Fallout in unsere Richtung zog, deswegen versuchten wir, vor ihm wegzulaufen, doch er änderte immer seine Richtung und war irgendwann direkt über uns, als wir das Hotel hier erreichten.«
»Gab es keinen anderen Ort, an dem man Schutz suchen konnte?«
»Wo denn – unter einer Überführung oder so? Von wegen. Dieses Zeug ist pures Gift. Ich hab versucht, ins Hotel reinzukommen, aber es ist verrammelt. Warum haben die das gemacht?«
Luke und Karen tauschen einen Blick.
»Wo sind dein Vater und deine Schwester?«, fragt Luke.
»Keine Ahnung. Wir wurden getrennt. Wir konnten nichts sehen – wegen der giftigen Wolken und weil unsere Augen nicht mehr funktionierten. Und die Luft war so dick. Es gab keine Geräusche mehr, wie in einem Wirbelsturm. Ich – ich habe keine Ahnung, wosie sind.« Max beginnt zu weinen und sagt zu Karen: »Ich kenne Sie. Sie sind die hübsche Lady aus dem Flugzeug. Ich hab Sie gleich beim Reinkommen erkannt, obwohl ich kaum was sehen konnte.« Rachel kommt mit einer Flasche und einer Kerze herein. »Ich habe noch etwas Wasser gefunden. Ich suche weiter.«
Rachel geht wieder, und Luke sagt: »Ich versuche, so viel von dem Zeug von dir runterzuspülen, wie ich kann, Max.«
»Okay.«
Karen sieht sich um, während Luke Max mit Wasser besprengt. Sie bemerkt, dass Rick hier hinten eine zweite Barkeepermontur hängen hat. »Probier mal dieses Hemd an«, sagt sie und drückt es Max in die Hand. »Du zitterst ja.«
»Danke«, sagt er. »Ich friere.«
Max schafft es, sich das Hemd anzuziehen, aber der Stoff der Hosen schmerzt auf seiner wunden Haut, und er schreit auf. Karen setzt sich auf einen Getränkekasten und sagt: »Komm her, Max, und setz dich neben mich. Luke, hol mal das iPhone aus Max’ Cargohose.« Max legt seine Arme um Karens Hals.
Karen erinnerte sich, wie sie Casey vor fünf Jahren im Krankenhaus festgehalten hat, das erste Mal, dass sie sie wieder in den Arm genommen hatte, seit sie fünf oder sechs gewesen war. Ihr Kind zu halten hatte sich gut angefühlt. Kinder wiegen ganz schön was. Sie sind warm. Man kann spüren, wie ihre Herzen und ihre Lungen in ihnen arbeiten.
Nun fragte Max sie: »Bin ich jetzt für immer blind?«
»Nein, Herzchen, deine Augen kommen wieder in Ordnung«, sagte Karen. »Bald wird das alles hier vorbei sein, und du bist wieder zu Hause.«
Max saß neben Karen, und sein Kopf war an ihre Brust gesunken. Er war ein großes Kind, noch nicht ganz ausgewachsen, aber fast.
»Was ich vorhin gesagt habe, war nicht ernst gemeint.«
»Was hast du denn gesagt?«
»Dass mir meine Mutter egal ist. Ist sie nicht.«
»Das weiß ich doch, Max.«
»Sie hat uns einfach verlassen. Wie kann jemand so was machen – einen einfach verlassen, als würde man ihm gar nichts bedeuten?«
»So was machen Menschen nun mal. Sie haben auch ihre dunklen Seiten.«
»Ich vermisse sie total, aber sie beantwortet nicht mal meine E-Mails. Sie behauptet, sie wüsste nicht, wie man einen G-mail-Account einrichtet. Und dann hat sie mir versehentlich eine Einladung zu einem Barbecue weitergeleitet, das sie an dem Nachmittag veranstaltet hat, wo sie eigentlich beim Violinkonzert meiner Schwester sein sollte.«
»Violinkonzert? Meine Tochter spielt auch Geige.«
»Wirklich?«
»Ja. Sie ist fünfzehn und macht gerade eine Goth-Phase durch. Ich hatte schon Angst, sie würde nicht mehr zum Unterricht gehen, weil das uncool wäre oder so.«
»Ich weiß nicht, was an diesem Goth-Zeug so toll sein soll.«
»Ich auch nicht. Als ich in ihrem Alter war, konnte man nur zwischen zwei Sachen wählen:
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