Spieler Eins - Roman in 5 Stunden
Milliarde Jahre stehengeblieben sein. Wie können wir je sicher sein, dass es nicht so war?
Karen sah Luke an. Ihre Blicke trafen sich, und Karen wusste, dass sie beide für immer miteinander verbunden sein würden. Dann ging die Kerze aus, und der Raum wurde dunkel wie die Luftschicht zwischen zwei Bettlaken.
RICK
Rachel – die wunderschöne, strahlende Rachel – kommt zurück, nachdem sie Karen, Luke und Max Wasser und eine Kerze gebracht hat. Sie schaut hinter der Theke, ob sie noch mehr Wasser findet. Rick bewacht Bertis, der mit Klebeband an seinen Stuhl gefesselt auf dem Rücken liegt und an eine Decke starrt, an der noch Reste von Lametta kleben. »Da haben Sie sich also ein kleines Nachmittagsnümmerchen gegönnt, was?«, krächzt er Rick zu.
»Du hältst schön die Klappe. Du vergammelst bald im Knast, und nach deinem Tod wirst du als Knastbruder reinkarniert.«
»Die Welt ist sowie schon Gefängnis genug. Und Reinkarnation ist ein Schwindel. Könnte ich vielleicht ein Glas Wasser haben?«
»Wir haben kein Wasser.«
»Dann eben irgendwas anderes. Und wieso sind Sie nicht auch dahinten und helfen mit, den kleinen Lord abzubrausen?«
»Weil ich ein Auge auf dich habe. Ich wette, wenn ich von einem Typen wie dir nur zehn Sekunden abgelenkt bin, befreist du dich wie Hannibal Lecter und richtest Gott weiß was an.«
»Von Gott haben Sie geredet …«
Rachel hinter der Theke sagt: »Ich hole Ihnen etwas zu trinken. Das mache ich gerne.«
Dieses Angebot überrascht Rick, aber andererseits ist Rachel ja auch ein einziges Mysterium. Im Kopf des liebestrunkenen Rick läuft schon ein Preview seines zukünftigen Lebens mit Rachel: Ferien in Kentucky, der Ankauf weißer Deckmäuseriche; Abende am knisternden Kamin, an denen er Rachel zuhört, wie sie Pi herunterbetet; vielleicht eine von diesen Umarmungsmaschinen für die Momente, in denen ihr Gehirn mit echtem Körperkontakt nicht klarkommt.Rick sieht ein eigenartiges, unerwartetes neues Leben vor sich liegen und verbucht die Tatsache, dass Rachel einem zum Krüppel geschossenen Amokschützen etwas zu trinken holt, einfach als merkwürdig. Daher erhebt er keinen Einspruch.
Rachel wuselt hinter der Bar herum, stellt drei Gläser auf die Theke und füllt sie mit Coke ohne Kohlensäure, fast schon Sirup. Sie sieht Bertis’ Karabiner, der immer noch auf dem Tresen liegt, mitten in einem Bett zerkrümelter Knabbernüsse, nimmt ihn auf und sagt: »Mein Vater hatte früher auch mal so ein Gewehr.«
»Lass die Finger von meinem Gewehr!«, ruft Bertis.
Rachel geht um die Theke herum zu dem Tisch, auf dem der Seesack liegt, und verstaut die Waffe darin.
Vom Fußboden her bringt Bertis sich in Erinnerung: »Rachel, mein Getränk bitte.«
Rachel schnappt sich zwei Gläser Coke und einen Löffel, gibt ein Glas Rick und beugt sich dann zu Bertis hinunter, um ihm peinlich genau bemessene Schlückchen Cola mit dem Teelöffel einzuträufeln, als sei es ein Chemie-Experiment. Bertis ist durstig und bleibt stumm, bis sein Glas geleert ist, dann sagt er: »Ich hab mich in meinem ganzen Leben noch nicht derart wie eine weiße Labormaus gefühlt.«
Beim Stichwort ›weiße Maus‹ wird Rachel sofort munter. »Im Ernst? Was ist das für ein Gefühl?«
»Hä?«
»Wie fühlt es sich an, eine weiße Maus zu sein? Ich habe mir das immer vorzustellen versucht, aber es fällt mir schon schwer genug, mich in Menschen hineinzuversetzen. Ich liebe meine weißen Mäuse, ich weiß aber nicht, wie sie sich wirklich fühlen. Sie können mir das also verraten. Das ist ja fast noch besser, als plötzlich an Gott zu glauben.«
Bertis ruft Rick zu: »Von welchem Planeten ist die denn, Kumpel?«
»Beantworte ihre Frage.«
»Ihr beide seid ja verrückt.«
»Wir sind nicht verrückt«, sagt Rachel. »Ich züchte weiße Mäuse für meinen Lebensunterhalt.«
»Du bist ein Teenager, der sich wie Nancy Reagan anzieht.«
»Ich bin gekleidet wie eine fruchtbare Frau im gebärfähigen Alter. Und Sie sind, Ihrer erhobenen Stimme nach zu urteilen, entweder wütend oder machen gerade einen Witz.« Rachel geht zurück zur Bar und reinigt sich die Hände mit Purell und einem Trockentuch.
»Das ist doch alles nicht wahr«, sagt Bertis.
»Könnten wir bitte bei den weißen Mäusen bleiben, Bertis?«, fragt Rachel und nippt an ihrer Cola.
Rick kichert. »Jetzt weißt du, wie wir uns fühlen, wenn du uns mit Gott nervst.«
Bertis wechselt das Thema. »Können Sie mir bitte das Klebeband von den
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