Spieler Eins - Roman in 5 Stunden
Sinn, wenn ich am Schluss ja doch nur gaga werde.«
»Ich hasse dieses Wort«, sagt Karen.
»Tschuldigung.«
»Nein, macht nichts. Das höre ich von den Ärzten, für die ich arbeite, praktisch täglich in der Mittagspause. Aber ich mag es trotzdem nicht.«
Max macht den Mund auf und gestikuliert nach einem Schluck Wasser, den Karen ihm gibt.
Luke sagt: »Tja, die Zeit löscht sowohl das Beste wie das Schlechteste an uns aus.« Er sieht sich im Raum um. »Mensch, verbreiten wir heute gute Laune!«
Beide mustern die Szenerie und lachen dann absurderweise – erst ein Kichern, dann so eine Art nervöse Bauchpresse. Rick schaut irritiert auf, und schließlich fasst sich Luke wieder und sagt: »Oh, Mann. Wir sind als Spezies eine reine Katastrophe, was? Wir Menschen, meine ich.«
»Sind wir das?«, fragt Rick heiser.
»Aber absolut «, antwortet Luke. »Ich will damit nicht mal sagen, dass der Mensch die Seuche Nummer eins auf diesem Planeten ist – ich schiebe es allein auf die DNS . Unsere DNS ist die Katastrophe. Alles, was wir verbrechen, geht auf das Konto unseres bösen, kleinen DNS -Moleküls. Hi, ich bin ein kleines DNS -Molekül. Ich baue Kathedralen und fliege zum Mond – ja, Scheiße auch, ich hab die Atomenergie beherrschbar gemacht! Nehmt das, ihr Viren. « Luke sieht sich im Raum um. »Und das hat es uns letzten Endes gebracht. Knabbernüsse. Blindheit. Giftigen Schnee. Ausgefallene Stromversorgung. Tote Telefone. Wir sind ein schlechter Witz.«
Es wird wieder still im Raum.
Schließlich sagt Karen: »Weißt du, Luke, es hat auch sein Gutes, wenn man Dinge vergisst. Nachts zum Beispiel, wenn du träumst und verstorbene Freunde und Verwandte auftauchen, und du begreifst nicht, dass sie tot sind – es ist zwar irgendwie nicht richtig, dass sie da sind, aber sie sind definitiv nicht tot. Stell dir vor, was das vor ein paar Hundert Jahren bedeutet haben muss: Wenn du es bis fünfzig oder sechzig geschafft hattest, bevölkerte die Totenwelt dein ganzes Traumleben. Das muss für den Träumer doch wesentlich angenehmer gewesen sein als der Wachzustand. Dinge zu vergessen kann auch ein Schutz sein, Luke.«
Luke denkt an sein eigenes Leben vor dem Öl-Crash. Früher hatte er einmal geglaubt, ein Mensch müsse wenigstens ein großes Schlüsselerlebnis gehabt haben, sonst wäre sein Dasein sinnlos gewesen. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass ein stilles Leben in Einsamkeit sein Schlüsselerlebnis sein konnte. Er stellte fest, dass er die Hälfte seiner Zeit damit beschäftigt war, sich Rechtfertigungen dafür auszudenken, warum er nachts allein schlief. Wenn er ehrlich sein soll, ist er Pastor geworden, weil er glaubte, anderen Menschen Rat und Trost zu geben, würde darüber hinwegtäuschen, wie leer sein eigenes Leben ist. Er hat es bald sattgehabt, sich die Probleme seiner Schäfchen anzuhören, sich jedoch danach gesehnt, die Probleme eines Menschen zu teilen, den er wirklich liebte.
Und da sitzt nun Karen. Luke möchte alles über ihre Probleme hören. Und sie scheint auch von seinen hören zu wollen. Sie öffnet ihm eine Tür. Sie fragt: »Hast du einen Hund, Luke?«
»Einen Hund. Nein. Warum willst du das wissen?«
»Wenn man Single und über vierzig ist, ist es gut, einen Hund zu haben, denn das bedeutet, dass man immer noch Beziehungen und Bindungen aufbauen kann.«
»Aber auch da gibt es eine Schattenseite«, meint Luke.
»Welche denn?«
»Es könnte auch bedeuten, dass man es aufgegeben hat, Beziehungen zu Menschen aufzubauen.«
»Oh, oh. Es gibt wohl immer einen Haken, was?«
»Immer.«
»Du gefällst mir, Luke.«
»Du gefällst mir auch, Karen.«
»Bist du einsam, Luke?«
»Ja.«
»Ich auch.«
Es wurde still im Raum. In der Ferne gellte eine Sirene auf, kam undging. Luke sagte: »Eigentlich fing ich gerade an, mich damit abzufinden – mit der Einsamkeit –, aber ich kann es nicht mehr.«
»Einsamkeit war das, was mich an diesen lächerlichen Ort hier gebracht hat«, meinte Karen. »Mutter Natur hat schon einen schrägen Humor.«
»Allerdings.«
»Meinst du, du wirst etwas vermissen, wenn du kein Prediger mehr sein kannst?«
»Kein Pastor mehr? Nein, das bezweifle ich. Ich habe Leute satt, die an das Erstbeste glauben, was ihnen zu Ohren kommt. Ich bin es leid, dass wir alle so bereitwillig auf Lügen reinfallen.«
»Kirchen sind Lüge?«
»Es gibt Tausende davon. Ein paar von denen müssen ja wohl Unrecht haben. Und ich möchte mich selbst nicht als Mensch sehen,
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