Spielregeln im Job durchschauen
zuletzt, dieses Handeln in das persönliche Selbstkonzept zu integrieren. »Frauen müssen eigennütziger werden«, fordert sie: »Möglicherweise ist Mikropolitik die letzte große Hürde von Frauen, um in großer Zahl aufzusteigen.« Das zeigt sich gut am Leistungsmythos. Um zu verschleiern, dass es in der mikropolitischen Arena nicht um Leistung geht, sondern um Eigeninteresse, wird der Leistungsmythos aufrechterhalten. Das ist selbst eine mikropolitische Strategie, so Rastetter. Frauen stecken dann übermäßig viel Energie in ihre Leistung.
Dieses Prinzip zeigt sich gerade sehr plastisch bei der Diskussion um die Frauenquote: Nein, es gehe nicht um Macht, argumentieren die hauptsächlich männlichen Leiter von Wirtschaftsverbänden und Wirtschaftsinstituten, es gehe um die Leistung. Jede Frau, die dasselbe leistet, hätte auch dieselben Chancen wie Männer. Oder es wird argumentiert, dass nicht genügend gut ausgebildete Frauen mit entsprechender Erfahrung zur Verfügung stünden, sonst hätten sie selbstverständlich dieselben Chancen. Genügend Frauen gehen auf den Leistungsmythos ein und sagen, wir brauchen keine Quote, sonst würden wir ja in unserer Leistung abgewertet. Andere Frauen hingegen lassen sich auf dieses Scheinargument gar nicht ein. Die Erfahrungen, die in den letzten Jahrzehnten in der Politik gemacht wurden, sind Gegenargument genug, um die Diskussion nicht wieder bei null zu starten. Sie sagen, wenn es eine Männerquote – so überall in Führungspositionen vorherrschend – gibt, kann es auch eine Frauenquote geben. Statt in der Opferrolle zu verharren, ist es für Frauen wichtig, mit Mikropolitik umgehen zu können. Rastetter empfiehlt dafür ein vierstufiges Vorgehen:
Bewusstsein Frauen sollten sich klarmachen, dass sie sich im Beruf auf einem mikropolitischen Feld bewegen, ob sie das nun möchten oder nicht.
Methodenkompetenz Frauen sollten mikropolitisches Know-how erwerben und sämtliche Taktiken kennen – ohne dass sie diese einsetzen müssen.
Soziale Kompetenz Frauen sollten wissen, welche Rollen und Normen herrschen, innerhalb derer sie handeln können.
Selbstkompetenz Dazu gehört zu klären: Was bin ich bereit zu tun? Wie kann ich Aufstiegsorientierung und Machtgewinn mit meinem Selbstbildnis und meiner weiblichen Identität in Einklang bringen? Und dazu gehört auch die Klärung des eigenen Verhältnisses zur Macht, wie etwa bei einem Coaching.
2. Es gibt immer einen Platzhirsch
Schöne, neue Arbeitswelt: Virtualisierung, Flexibilisierung, Projektarbeit und Matrixorganisation sind die Kennzeichen moderner Unternehmen. Kein passendes Revier mehr für männliche Selbstdarsteller und Platzhirsche, die von klassischen Hierarchien profitieren, könnte man meinen. Warum sich also mit so altmodisch wirkenden Themen wie Rangordnungen und der möglichen eigenen Positionierung darin beschäftigen? Doch diese Haltung könnte sich für Frauen als karrieretechnischer Irrtum erweisen.
Die Soziologin Anja Bultemeier hat gemeinsam mit Forschungskollegen das Thema »Strukturen und Spielregeln in modernen Unternehmen und was sie für Frauenkarrieren bedeuten (können)« untersucht. Es findet demnach eine Abkehr von der klassischen »Kaminkarriere« statt. Neben die Managementkarriere tritt die Projektkarriere und weniger ausgeprägt die Fachkarriere. Bultemeier konstatiert, dass Frauen in modernen Unternehmen inzwischen horizontal in alle Bereiche vorgedrungen sind und dass sie nun mit Männern vertikal um Positionen konkurrieren. Historisch ist das ein Novum. Ob es allerdings einen Paradigmenwechsel bei den für eine Karriere notwendigen Eigenschaften gibt, ist mehr als fraglich. Die Forschungsergebnisse zeigen eher, dass sich nur die Vorzeichen geändert haben, das zielführende Verhalten aber gleich geblieben ist. So kommt Bultemeier zum Schluss, dass es in der Arbeitspraxis moderner Unternehmen nicht die weichen Faktoren sind, die karriererelevant sind. Es gehe vielmehr darum, in einem Kontext, der nicht frei von Interessendivergenzen und Konflikten ist, seinen Platz klar einzufordern: »Unternehmen sind keine herrschaftsfreien Räume; um sich in ihnen öffentlich zu positionieren, bedarf es auch ›harter‹ Faktoren wie Zielstrebigkeit, Mut und Durchsetzungsfähigkeit. Ein zentrales Ergebnis unserer Empirie ist nun, dass Frauen es vermeiden, sich öffentlich zu positionieren und in kommunikative Aushandlungsprozesse einzutreten – insbesondere dann, wenn die Kultur in den Unternehmen
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