Spielregeln im Job durchschauen
unweiblich und unsympathisch gelten. Der seit den 1980er-Jahren grassierende Begriff »Karrierefrau« klingt in den Ohren vieler Frauen wie eine Beschimpfung, so als könnte damit in keinem Fall eine »richtige« Frau gemeint sein. Interessant ist, dass sich im Beruflichen das Zusammenspiel der männlichen Dominanzhierarchie und der weiblichen Geltungshierarchie zuungunsten vieler Frauen auswirkt. Männer kämpfen untereinander um ihren Rang, ihre Kontrahenten versuchen zu gewinnen. Wenn sie das nicht schaffen, ordnen sie sich in der Rangordnung unter und warten auf bessere Gelegenheiten. Frauen starten oft gar nicht erst den Versuch, sich durchzusetzen, und ziehen dann auf jeden Fall den Kürzeren.
Die Ergebnisse einer empirischen Studie der Münchner Psychologin Nathali Klingen belegen, dass Frauen im Umgang miteinander sehr auf Gleichberechtigung und Demokratie in der Gruppe achten. Dementsprechend werden in einer reinen Frauengruppe im Allgemeinen Stärke und Kompetenz einzelner Mitglieder sowie Konkurrenz untereinander tabuisiert und offene Machtkämpfe vermieden. Das kann aber dazu führen, dass es den Frauen schwerfällt, Konflikte auszutragen.
Männer kämpfen auch gegen Frauen als potenzielle Konkurrentin – die Argumente höre ich von den Frauen in meinen Workshops und Coachings. Sie seien wahlweise unweiblich, zickig oder zu jung. Frauen nehmen diese Zuschreibungen persönlich und erhalten so in ihrem System der Geltungshierarchie nicht die Anerkennung für ihre Leistung, die ihnen aus ihrer Sicht zusteht. Ihre Reaktion ist allerdings meist nicht, das Prinzip der Dominanzhierarchie in den Blick zu nehmen und um ihre Position zu kämpfen, sondern Rückzug. Der Effekt: Die Männer bleiben unter sich – auch deshalb, weil die Frauen nicht deutlich zeigen, dass sie die Position haben wollen und dafür die Richtigen sind, egal, wie die Männer sie nun bezeichnen. Für Frauen ist es wichtig, diese Äußerungen als das einzuordnen, was sie sind – als mikropolitische Äußerungen, die im Rahmen der geltenden Dominanzhierarchie geäußert werden und Teil des Spiels sind.
Wenn Frauen im System der Geltungshierarchie gefangen sind, müssen sie sich diese Kritik zu Herzen nehmen. Wenn sie dagegen erkennen, dass die Spielregeln einer Dominanzhierarchie gelten, können sie überlegen, wie der nächste Punkt an sie geht. Denn schließlich müssen diese Männer sie nicht mögen, nicht als Frau, nicht als Person, sie müssen und sollen sie nur in ihrer Position respektieren. Das ist etwas völlig anderes. Wenn Sie diesen Blickwinkel einnehmen, werden Sie merken, dass Sie sehr viel handlungsfähiger werden. Genau das, was die Gegenseite mit ihrer Diskreditierung bewusst oder unbewusst zu vermeiden sucht.
Bei Männern wird ebenso um die Rangfolge gekämpft, nur mit anderen Mitteln und Argumenten. Das fällt Frauen durch ihre Sachorientierung aber oft gar nicht auf. Sie registrieren zuerst den vermeintlich persönlichen Angriff gegen sich selbst. Doch das Persönliche daran ist vor allem, dass die Männer eine mögliche Konkurrentin erst gar nicht mitspielen wollen lassen. Das ist aus ihrer Sicht die beste Lösung. Und funktioniert auch oft, weil sich die Frauen beleidigt, verschreckt, verärgert zurückziehen und den Männern das Terrain überlassen. Eine gute Methode, merken die Männer, und machen so weiter.
Auch das Antiquoten-Argument funktioniert so: »Dann kämen ja schlechte Frauen, oje, oje.« Und das, obwohl Quote nur bei gleicher Qualifikation greift. Aber das Spiel funktioniert, hochrangige Frauen äußern sich sogar öffentlich: »Nein, die Quote wollen wir nicht.« Anstatt zu sagen: »Netter Versuch, ich weiß sowieso, was ich leiste.« Für die Männer hat das Spiel bis jetzt gut funktioniert. Bis heute gibt es kein Gesetz, das den Unternehmen die Quote vorschreiben würde.
Interessant ist, dass die Frauen sich so sehr vom kritischen Blick abhängig machen und ständig auf Bestätigung warten, anstatt sie sich erst einmal selbst zu geben und darauf zu setzen, dass durch gutes Selbstmarketing ihr Gegenüber früher oder später diesen Eindruck auch teilen wird. Und, keine Sorge, das eigene Verhaltensspektrum clever zu erweitern, bedeutet keinesfalls, deshalb zu »vermännlichen«. Wichtig ist es, immer wieder die eigene Rolle zu reflektieren und das Spielfeld als System zu analysieren. Tom Schmitt und Michael Esser, Autoren des Buches Status-Spiele, wissen: »Je klarer die innere Haltung, desto
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