Spielregeln im Job durchschauen
ähnliche Initiativen. Das wird früher oder später eine Veränderung der Kultur bedeuten, weil Frauen in Führungspositionen dann endlich ihren Minderheitenstatus verlieren werden. In der Zwischenzeit sind Frauen aufgerufen, mikropolitisch schlau zu agieren, um möglichst gut in der Jungs-Kultur zurechtzukommen, bis sich eine neue gemischte Kultur mit eigenen Spielregeln etabliert hat.
Sich der Bedeutung der Spiele bewusst werden
Mädchen spielen oft den realen Alltag ihrer Mutter nach: Sie kochen ihrer Puppe etwas und füttern sie, sie trösten die Puppe, wenn sie auf den Boden fällt, mit denselben Worten, mit denen sie getröstet wurden, oder sie ahmen Telefongespräche nach. Jungen greifen gerne zu medialen Vorbildern und spielen Action-Figuren nach. Wenn bei diesen Spielen Mädchen überhaupt beteiligt sind, übernehmen diese (nicht immer freiwillig) die frauenspezifischen Rollen der Bedrohten und Geretteten. Dabei werden heldenhafte Gestalten wie Zorro oder Batman von den Jungen bevorzugt, da sie darauf bedacht sind, von den Spielgefährten nicht als »Schwächlinge« angesehen zu werden.
Der Hauptunterschied zwischen männlichen und weiblichen Spielstilen scheint darin zu liegen, dass die Jungen bestrebt sind, Dominanzhierarchien herauszuarbeiten und ihren Status zu sichern. Dies manifestiert sich nicht nur in der höheren direkten (verbalen oder körperlichen) Aggression, sondern auch in der Betonung von Kompetenzen. In Jungengruppen können sich fast alle Mitglieder durch bestimmte Fähigkeiten auszeichnen, beispielsweise mit Detailwissen über Dinosaurier oder geografische Besonderheiten, als Fußballspieler oder auch als Klassenclown. Mit diesem Spezialwissen oder diesen besonderen Fähigkeiten heben sie sich aus der Gruppe heraus, treten in Konkurrenz zu den anderen und erleben sich als kompetent. Ranghöhe scheint auch mit dem Alter verbunden zu sein, denn von den Erfahrungen eines Älteren kann eine Gruppe profitieren.
Karl Grammers Kindergarten-Studien zeigen, dass nicht das aggressivste Kind das ranghöchste ist, sondern das, dem am meisten Aufmerksamkeit entgegengebracht wird. Die Aggression innerhalb der Gruppe wird durch die Rangordnung kontrolliert. Durch diese Kontrolle wird kooperatives Verhalten, Gruppenloyalität und -harmonie gefördert. Jungen spielen eher in größeren Gruppen und draußen im Freien, während Mädchen eher kleinere Gruppen bevorzugen und sich im Haus aufhalten. Jungen mögen Kampfspiele mit vollem Körpereinsatz, Mädchen diskutieren lieber und verhalten sich vorsichtig.
Warten Sie nicht darauf, entdeckt zu werden – laden Sie sich selbst ein
Der kanadische Philosoph Peter Raabe weist darauf hin, dass Jungen nicht von ihren Altersgenossen eingeladen oder zum Mitspielen aufgefordert werden. Sie müssten die Mitgliedschaft in der Gruppe selbst in die Wege leiten – während Mädchen andere zum Mitspielen auffordern. Deshalb lernten Jungen schon früh, sich durchzusetzen und um ihre Position zu kämpfen: »Sie lernen sich zu schützen, indem sie ihre Auffassungen selbstsicher zum Ausdruck bringen und mit den Herausforderungen durch andere Jungen erfolgreich fertig werden.«
Jungen interessieren sich für geregelte Wettkämpfe, aus denen erklärte Sieger hervorgehen. Sie spielen meist mit vielen anderen Jungen, um zu gewinnen – die Teilnehmer stehen sich als Gegner gegenüber. Mädchen bevorzugen Spiele, in denen Kooperation anstelle von Rivalität gefordert ist. Sie spielen oft zu zweit und um der Freundschaft willen – in ihren Spielen werden die Ziele gemeinsam festgelegt. Im Sportunterricht bevorzugen Jungen Kampfspiele wie Fußball und Rugby, bei denen sie Mann gegen Mann antreten können. Bei Mädchen hingegen überwiegt die Freude am Gruppenspaß – sie lieben das Tanzen in der Gruppe und Mannschaftsspiele wie Volleyball, bei denen ein Netz für Distanz zum Gegner sorgt.
Die Regeln der Jungenspiele haben in hohem Maße Einzug in die Arbeitswelt gehalten, ohne dass das den männlichen oder weiblichen Beteiligten immer bewusst wäre. Kein Wunder, dass Männer im Job Heimpunkte sammeln, während die Frauen darauf warten, zum Mitspielen aufgefordert zu werden.
Der Webdesignerin Constanze Hartmann wurde das klar, als sie zum ersten Mal einen lockeren IT-Branchentreff besuchte: »Ich saß bei drei jungen Männern an einem Tisch. Sie unterhielten sich über Messevorbereitungen. Ich hörte aufmerksam zu und schaute fragend oder zustimmend, ohne dass mich jemand
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