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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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Platz«.
    Ich kramte mein Ticket heraus und schaute dann nach oben auf das Schildchen mit der Platznummer.
    »Hast du nicht 2B?«, fragte er.
    »4D«, sagte ich. »Ich sitze auf dem richtigen Platz.«
    Er runzelte die Stirn. »Ich hab 2A. Das ist ganz woanders. Das kann nicht stimmen.«
    Er reckte den Kopf und spähte durchs Flugzeug. »Auf der anderen Seite, verdammt«, murmelte er. »Ich hab zwei Plätze nebeneinander gebucht, ich schwör’s. So was Blödes.«
    »Es ist schon in Ordnung, Chip«, sagte ich. Ich war mit einem Mal ganz freundlich gestimmt. »Macht doch nichts, ich werde sowieso den ganzen Flug über schlafen.«
    Chip nickte bedrückt. »Vielleicht kann ich mich ja zu dir rübersetzen, wenn wir in der Luft sind. Vielleicht sind ja noch Plätze frei.«
    Dann war er weg und setzte sich auf der anderen Seite auf seinen Platz. Die Stewardessen gingen herum und verstauten Plastiktaschen und anderes Handgepäck. Dann hoben wir von der Rollbahn ab, das Flugzeug stellte sich steil auf und stieg in den Äther. Ich klammerte mich an die Armlehnen und starrte durchs Fenster in die Wolken. Von der Stadt war nicht viel zu sehen, es war zu diesig. Bevor die Leuchtschrift erlosch, die zum Anlegen der Sicherheitsgurte aufforderte, hatte ich schon zwei Schlaftabletten geschluckt und die Decke bis zum Hals hochgezogen.
    Tja, dachte ich schläfrig, jeder spinnt auf seine eigene Weise.
    Ich sah, wie Chip sich aus seinem Sitz herauslehnte und versuchte, mich auf sich aufmerksam zu machen. Ich schloss die Augen. Berlin, dachte ich. Wahnsinn.

    Chip wirkte ziemlich mitgenommen, als wir landeten. Wieder lange graue Tunnels, Passkontrolle, Zoll. Dann saßen wir beengt auf einer kleinen Bank beim Kofferkarussell und warteten auf mein Gepäck. Es kam nicht. Nur zwei grüne Taschen standen noch auf dem Band und drehten ihre Runden.
    »Sie haben ihn verschlampt«, sagte ich. »Da fliege ich einmal in fünfzehn Jahren, und die verlieren meinen Koffer.«
    Chip nickte. »Mir ist in vierzig Jahren nie was verloren gegangen. Ist auch gut so, Mann, das Zeug ist nämlich nicht billig.«
    Ich blickte auf sein Gepäck, alles schön zueinander passend, mit Monogramm und aus bestem Leder. Der Größe nach geordnet standen die Stücke neben ihm, eine richtige Kofferfamilie. »Was du nicht sagst.« Ich runzelte finster die Stirn. »Was beweist das? Dass du eine einzigartige Ausnahmeerscheinung bist, oder was?«
    Er grinste. »Na ja, ich sag ja nur, wie es ist. Hör mal, das ist nicht so schlimm. Ich leih dir was zum Anziehen für die Premiere heute Abend.«
    »Ich brauch deine Sachen nicht. Die müssen mir meinen verdammten Koffer besorgen.«
    »Klar, das machen die«, sagte Chip munter. Und ich hatte wieder dieses komische dumpfe Gefühl in der Brust, dass irgendwas ganz verkehrt lief. Es war einfach nicht normal, dass Chip so freundlich war.
    Am Schalter sagte mir ein Mann mit einem netten Schnurrbärtchen, dass mein Gepäck noch vor mir im Hotel sein würde. Sie hatten es aus Versehen nach Polen geschickt, aber es würde sofort wieder zurückgebracht.
    »Nach Polen!« Chip lachte. »Dein Koffer ist schon mal vorausgeflogen, um Hiero zu sagen, dass wir kommen.« Und später am Taxistand fing er wieder damit an. »Polen, Sid, stell dir vor: Die können deinen Koffer hin und wieder zurück und ins Hotel schaffen, ehe du selber dort ankommst. Mann, das muss ganz nahe sein. Näher als von deiner Wohnung in Fells Point nach DC .«
    Ich verzog das Gesicht und schaute weg.
    Auf der Fahrt sagte ich zum Taxifahrer, er sollte einen Umweg übers Brandenburger Tor machen. Ich hatte mich vorn hingesetzt, um etwas Abstand von Chip zu haben, aber er beugte sich vor und blies mir seinen verdammten Zigarilloatem ins Genick.
    »Ich weiß nicht, Sid«, sagte er. »Ich finde, wir sollten besser direkt zum Hotel fahren. Die Veranstaltung fängt in weniger als drei Stunden an.«
    »Zum Brandenburger Tor«, sagte ich noch einmal zum Fahrer und drehte mich zu Chip um. »Wir haben genug Zeit. Jetzt mach mal keine Hektik.«
    Ich muss zugeben, dass es mir Spaß machte, ihn ein bisschen zu ärgern. Aber ich war auch wirklich neugierig. Dass die Stadt jetzt auf einmal so riesig groß war, faszinierte mich. Sie war immer schon groß gewesen, aber nicht so . Der Krieg hatte Löcher in die Bebauung gerissen, das konnte man sogar jetzt nach so vielen Jahrzehnten noch sehen. Inmitten von grauen Betonwüsten waren grüne Parks entstanden, und viele Grundstücke waren von

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