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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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es heißt ›Scheck‹: Man trinkt und zahlt später.«
    »Wenn der Scheck kommt, bezahlt man.« Ernst lächelte. Er kippte den Schnaps hinunter und schüttelte sich elegant. »Also los.« Er deutete auf das Glas.
    »Hieronymus hat seinen nicht angerührt«, sagte sie argwöhnisch.
    »Hast du gehört?«, sagte ich. »Sie findet, du trinkst wie ein kleines Mädchen.«
    Hiero reagierte nicht, schaute sie nur an.
    »Also los«, sagte Ernst noch mal.
    Sie hob ihr Glas, nickte dem Jungen komplizenhaft zu und stürzte den Schnaps hinunter.
    Wir beobachteten alle gespannt ihr Gesicht.
    Sie öffnete die Augen. »Mein Gott!«, krächzte sie. Sie verzog den Mund und schüttelte sich. »Das ist ja noch übler, als es aussieht! Kein Wunder, dass Hitler so böse ist, wenn er das Zeug trinkt.«
    Ihr stand Wasser in den Augen.
    Der Czech war echt brutal. In den meisten Staaten bei uns in Amerika hätte man so was gar nicht erlaubt. Der Junge fing zu lachen an, ein hohes, gebrochenes Lachen, das sich anhörte wie Schluckauf. Dann warf er ihr aus dem Schatten seiner Hutkrempe plötzlich einen überraschten Blick zu.
    Als sich die Tussi etwas nach vorn beugte, huschte das schummrige Licht über ihre Haut, und jetzt sah ich es mit einemmal ganz deutlich: Dieses Mädchen war keine Weiße, sie war ein Mischling so wie ich. Sie hatte die Art von Mulattengesicht, die man nur erkennt, wenn man eine Auge dafür hat.
    »Jungs«, sagte sie und schlug die Beine übereinander. Ich sah, wie der Saum ihres blauen Kleides nach oben rutschte, und fühlte, wie mein Herz schneller schlug. »Jungs, ich möchte euch nach Paris einladen. Um eine Platte mit euch aufzunehmen. Wir suchen genau das, was ihr habt.«
    »Sie will, dass wir nach Paris fahren und eine Platte machen«, sagt Ernst auf Deutsch.
    »Paris.« Paul runzelte die Stirn.
    Ich starrte immer noch auf ihren bleichen Oberschenkel. Dann blickte ich auf und sah, dass sie mich beobachtete. Ich wurde rot. »Sind Sie vom Fach?«, fragte ich. Aber es klang irgendwie lüstern
    In ihren Augen blitzte Ärger auf. »Ich bin Delilah Brown .«
    »Oh«, sagte ich. »Klar.«
    »Die Sängerin«, sagte sie nach einer kurzen Pause. » Black-eyed Blues? Dark Train Song? «
    Ich nickte heftig. »Ach so, ja, Delilah Brown .«
    Aber ich warf Ernst einen Blick zu, um zu sehen, ob das vielleicht ein Scherz war. Ich hatte von einer Sängerin namens Brown nie gehört.
    »Sie kommt von Louis Armstrong«, sagte Ernst.
    Verdammt, das verstanden wir. Die ganze Runde verstummte.
    »Was will sie?«, fragte der Junge nach einer Weile. Seine Stimme klang ganz sanft. »Ist sie eine Agentin?«
    »Nein.«
    Paul strich sich eine goldene Locke aus der Stirn und musterte Ernst mit seinen durchdringenden blauen Augen. »Von was reden wir hier überhaupt? Von dem Trompeter Armstrong?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Sie meint wahrscheinlich den Hofnarren Armstrong.«
    »Der hieß Archy«, sagte Ernst abwesend. »Und ja, es ist wahr.«
    Paul blickte überrascht auf. »Es gab tatsächlich einen Hofnarren namens Armstrong?«
    Er nickte. »Am Hof von James I .«
    »Verdammt!«
    Die Tussi verstand kein Wort von dem, was wir redeten. Wahrscheinlich dachte sie, wir diskutierten ihren Vorschlag, denn ihr Gesicht wirkte gespannt. »Also? Was ist?«, fragte sie.
    Ernst sah sie lange an. »Sie erwarten, dass wir unser ganzes Leben hier aufgeben, Miss Brown. Das ist nicht so einfach. Wenn wir nach Paris gehen, kommen wir nicht mehr zurück.«
    Ihr Gesicht wurde ernst. »Mit allem Respekt, Mr von Haselberg: Wenn Sie hier bleiben, werden Sie bald kein Leben mehr haben, das Sie aufgeben können. Sie gehen hier unter, das wissen Sie doch so gut wie ich.« Sie lächelte, damit es nicht so harsch wirkte.
    Ernst wedelte einen Fussel von seinem Hosenbein. »Immerhin überleben wir.«
    »Ja, aber Sie leben nicht, das ist doch ein Unterschied. Sie müssen sich natürlich nicht sofort entscheiden. Aber ich biete Ihnen die Chance, wieder zu leben , Musik zu machen. Auf die Straße gehen zu können ohne Angst, verhaftet zu werden. Und das ist noch nicht mal das Schlimmste, was Ihnen hier passieren kann. Für Leute wie Sie ist Berlin ein Gefängnis. Ich biete Ihnen die Möglichkeit, rauszukommen .«
    Ich kapierte das alles gar nicht richtig. Ich starrte immer noch auf ihren Oberschenkel.

    Jazz. Hier in Deutschland war das jetzt schlimmer als die Pest. Wir alle waren Ungeziefer, wir Neger und Juden und Untermenschen, wir machten ordinären Radau,

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