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Spiels noch einmal

Spiels noch einmal

Titel: Spiels noch einmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esi Edugyan
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verdarben die anständige blonde Jugend, verführten sie zur Unzucht und zu noch viel schlimmeren Sachen. Jazz war keine Musik, keine Modeerscheinung, er war eine Seuche, die von den gefürchteten schwarzen Horden verbreitet wurde, aber die eigentlichen Urheber des Bösen waren die Juden. Wir Neger waren letztlich gar nicht dafür verantwortlich zu machen – wir konnten einfach nicht anders. Wilde haben nun mal von Natur aus schmutzige Rhythmen im Blut und folgen bloß ihren Instinkten. Aber die Juden, die wissen genau, was sie tun, die haben diese Urwaldmusik mit Absicht ausgeheckt. Das gehört alles zu ihrem großen Plan, die arische Jugend
zu schwächen, deutsche Mädchen zu verderben, ihr Blut zu verwässern.
    Zehn verdammte Jahre lang hatten wir damit gelebt. Wir hatten erlebt, wie Goebbels die Reichsmusikkammer gründete, bei der alle Musiker registriert sein mussten. Und dann im Frühjahr 1938 diese scheußliche Veranstaltung in Düsseldorf. Das war so was Ähnliches wie die Ausstellung »Entartete Kunst« in München im Jahr davor, bloß hingen da anstelle von Gemälden Bilder von Urwaldmusikanten rum, die auf Saxophonen tröteten. Und in allen Räumen tönte wunderbare Musik. Wir waren ganz offiziell zu »Entarteten« erklärt.
    Und im dunklen Hintergrund von alldem gab es Jazzer, die mit Lumpen das Straßenpflaster schrubben mussten, andere wurden von Uniformierten verprügelt, bloß weil sie in einem Café gesessen hatten, wieder andere lebten von Abfällen aus Mülltonnen. Juden schlug man auf offener Straße tot, man schmiss die Schaufensterscheiben ihrer Geschäfte ein, riss ihnen ihre Musikinstrumente aus den Händen. Als der alte Klavierspieler Volker Schramm seinen Künstleragenten Martin Miller als unechten Arier denunzierte, wussten wir, dass Berlin nicht mehr Berlin war. Es war ein verdammt wildes Jahrzehnt.
    Darum hatte Paris durchaus Reiz für uns.
    Das Problem waren die Papiere. Es war gar nicht daran zu denken, dass Leute wie wir die richtigen Papiere bekamen, um ins Ausland zu reisen. Schon seit Jahren nicht.
    Damit kein falscher Eindruck entsteht – es gefiel mir in Berlin, das schon. Und eine Weile lang fand ich den Anstreicher auch nicht schlimmer als die Typen, die in den USA die Jim-Crow-Gesetze machten. Und zumindest hatte man in
Europa das Gefühl, dass man wegen seiner Kunst geliebt wurde – wenn es auch mehr eine heimliche Liebe war, Gefummel in einer dunklen Ecke, wenn gerade niemand hinschaute. Ich nahm das alles nicht persönlich. Ich sah nun mal nicht besonders schwarz aus, und wenn es trotzdem jemand durchschaute, war mir das auch egal. Die Schwarzen standen nicht so sehr im Mittelpunkt des Interesses. Ich glaube, das lag einfach daran, dass wir so wenige waren.

    Das jüdische Bad war runtergekommen und halb verfallen, die meisten Becken wurden gar nicht mehr benutzt. Aber es war die einzige Badeanstalt, die ein paar von uns betreten durften, und manchmal sehnt sich der Mensch eben nach dem Geruch von erhitzten Steinen, nach heißem und eiskaltem Wasser. Die grünen Becken waren wie Krater in den Boden eingelassen. Wir legten den Kopf in den Nacken und streckten uns, nackt, wie uns Gott geschaffen hatte, der Länge nach aus.
    Chip und Fritz erwarteten uns im Umkleideraum. Chip hatte Schuhe und Strümpfe ausgezogen und wackelte mit den Zehen auf den Fliesen.
    »Du warst noch nicht drin, oder?«, rief ich. »Wir haben dich schon draußen auf der Straße gerochen.«
    »Vielleicht habt ihr Fritz gerochen«, sagte Chip. Er hob das Kinn und wedelte sich mit der Hand Luft zu. »Oder es war Dr McMorrain’s No. 9.«
    Paul schnupperte. »Was ist das? Hustensaft?«
    »Es ist schon eine Medizin«, sagte ich. »Aber nicht für den Hals, sondern für den kranken Kopf.«
    »Das ist der Duft, der die Frauen in den Wahnsinn treibt«, sagte Chip.
    »Das ist der Duft, der die Frauen aus dem Zimmer treibt«, flüsterte ich Hiero zu.
    Der Junge grinste; es gefiel ihm, dass er mit von der Partie war.
    Der Große Fritz saß zusammengesackt auf der harten Holzbank, rot im Gesicht und sichtlich erschöpft. Er war ein massiger Bayer mit dicken Fingern, Haaren wie Stroh und einer fleischigen Hakennase. Er wuchtete sich hoch, schwer atmend in der feuchten Hitze.
    »Alles in Ordnung mit dir, Fritz?«, fragte Ernst. Er legte seinen Hut auf die Bank und zog seine Schnürsenkel auf.
    Fritz wedelte mit seiner haarigen Hand. »Alles prima, ich bin bloß müde.« Seine Bassstimme dröhnte durch den Raum, man

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