Spieltage
wurde nur Tage später Trainer des VfB Stuttgart. Bald darauf übernahm er die Nationalelf von Honduras und wirkte als Trainerausbilder auf Antigua. So ging es drei Jahrzehnte weiter, Schalke, Chile, Offenbach, Cristal Lima, immer unterwegs zwischen nah und fern, Botswana, Hamburger SV, Fidschi-Inseln, Hertha BSC Berlin. Er heiratete seine Frau Ute zweimal und ließ sich zweimal scheiden. Er verbrannte Trikots in der Umkleidekabine, ließ seine Spieler gegen Rennpferde laufen und verkaufte seinen 450 SL, um angeblich Geld für seine Elf von Tennis Borussia Berlin aufzutreiben. Wenn Journalisten anriefen, enttäuschte er ihre Sehnsucht nach grellen Zitaten nie. Mit 77 Jahren, dekoriert mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse für seine Arbeit als Entwicklungshelfer, trat er 2003 seinen letzten Posten an, als Nationaltrainer auf Samoa. Heute macht er wie eh und je seine anderthalb Stunden Mittagsschlaf, die halten ihn jung, sagt Rudi Gutendorf, 86-jährig.
»Er war kein Blender«, sagt Dettmar Cramer, Gutendorfs Trainerkollege. »Er glaubte nur wie so viele, dass das Blenden bei einem Trainer dazugehört.«
Im Niemandsland der Tabelle, gleich weit entfernt von der Spitze und dem Ende, plätscherten die verbleibenden zwei Monate für den Meidericher SV so dahin. Heinz Höher sollte schon an die nächste Saison denken. Sein Vertrag endete am 30. Juni 1965. Er brauchte einen neuen Klub.
Hat der Heinz es von zu Hause aus nicht nötig, Geld zu verdienen, fragte sich Horst Gecks. So gleichmütig schien Höher sein Schicksal als Ersatzspieler hinzunehmen.
Mittags gingen sie öfter gemeinsam in eines der neuen Etablissements, die in der Duisburger Innenstadt eröffnet hatten, nicht Restaurant, nicht Bar, sondern ein Zwitter. Bistro nannten sie sich. In den Nischen standen schwarze Lederhocker und flache Tische. Dort spielten sie Karten.
Heinz Höher teilte Kartenspieler in zwei Klassen: Sieger- und Verlierertypen. Dazwischen gab es nichts. Keine Frage, dass er sich zur ersten Kategorie zählte. Mühelos konnte er sich beim Skat alle Karten merken, die schon gespielt worden waren, und sich in Sekundenschnelle ausrechnen, welche Karten noch im Spiel waren, wer noch welche auf der Hand haben musste.
Wir müssen los, in 15 Minuten beginnt das Training, drängte Gecks.
Die Runde muss ich noch fertig spielen, sagte Höher.
Gecks wurde nervös, sie mussten noch über die Brücke bis Meiderich, er wollte nicht zu spät kommen.
Also, tut mir leid, ich fahre.
Alles klar, sagte Heinz Höher und blickte kaum auf. Er komme dann nach.
Meine Herren, dachte sich Gecks, während er nach Meiderich raste, hat der Heinz ’nen kalten Arsch.
Pünktlich zum Training stand Höher auf dem Fußballplatz. Die sechs Mark in der letzten Skatrunde hatte er auch noch gewonnen.
Es ging ihm nicht um den Betrag, ob fünfzig Pfennig oder ein Fünfziger im Spiel waren, es ging ihm um das Gewinnen. Wenn es in seiner Schläfe vor Konzentration pochte, wenn er fürchtete, zu viel zu riskieren, und sich gleichzeitig sicher war zu gewinnen, das war die schönste Ungewissheit des Lebens.
Er würde zu Bayer 04 Leverkusen zurückkehren. Das war gar keine Frage. Im Fieber der Bundesligagründung hatte es so ausgesehen, als würden nun ganz gewöhnliche Vereinsspieler für den Fußball in eine fremde Stadt ziehen, und tatsächlich wechselten jedes Jahr gut zwei Dutzend Spieler quer durch die Republik, wie Meiderichs Verteidiger Dieter Danzberg, den Aufsteiger Bayern München für die neue Saison 65/66 anwarb. Aber diese Wechsel blieben doch die Ausnahme. Die meisten Fußballer blieben dort, wo sie hingehörten.
Er müsse ein Probetraining machen, sagte ihm Bayers Trainer Theo Kirchberg.
Er, ein Probetraining? In Leverkusen?
Man habe ihn länger nicht spielen sehen, mit Meiderich habe er in der Rückrunde ein einziges Spiel bestritten.
Heinz Höher diskutierte nie, wenn es ihm sinnlos erschien, sondern versuchte, das Beste daraus zu machen. Alleine auf dem Aschenplatz, bestritt er, was Kirchberg ein Probetraining nannte. Der Trainer ließ ihn sprinten und warf ihm ein paarmal den Ball zu, den er zurückpassen sollte.
Ein paar Tage später ließ ihm Kirchberg ausrichten, Bayer 04 würde von einer Verpflichtung Abstand nehmen.
Leverkusen? Wollte ihn nicht?
Er hörte die Gründe in den Gasthäusern der Stadt; oder das, was herauskommt, wenn etwas tagelang in Bierkneipen und Speiselokalen herumerzählt wird.
Er habe zu viel Geld verlangt. Bayer 04 hätte
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