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Spieltrieb: Roman

Spieltrieb: Roman

Titel: Spieltrieb: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juli Zeh
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gehängt.
    »Sehr freundlich, mich in diese Überlegung einzubeziehen. -Ada!« Er rief ihr hinterher. »Wenn es gelingt, das Training zu organisieren, wärst du dabei?«
    »Ja«, sagte sie, ohne sich umzudrehen. »Aber versuchen Sie nicht, mit meiner Zusage bei den anderen zu werben. Das wäre kontraproduktiv.«
    Alltägliches geschieht bei Smuteks
    N achdem die Keime der künftigen Ereignisse auf begrenztem Gelände und dicht beieinander ausgesetzt worden waren, senkte sich der Alltag über alle Beteiligten wie eine Schneedecke, unter der die Erde hart werden muss, bevor im Frühjahr die Wurzeln ihren unterirdischen Diskurs beginnen und schließlich Triebe aus dem Boden zwängen.
    Bevor Smutek seine schöne, launische Frau wie verabredet für die Herbstferien nach Masuren transportierte, führte er ein Gespräch mit Gründer, und dieses Mal war er vorbereitet. Nach einem Abend vor dem Monitor, mit seiner Frau auf den Knien und einem Notizblock in Reichweite, konnte Smutek die Konzepte von sieben Privatschulen im Land NordrheinWestfalen erklären. Er besaß heruntergeladene Photos von Schwimmhallen, Reitbahnen, Krafträumen und Beach-Volleyball-Feldern. Er entfaltete seine Ideen im Namen von Ernst-Bloch, stellte die Bedeutung von Sporterziehung für ein funktionierendes Schulwesen dar, konnte ohne Anstrengung auf die einfachsten Lehrsätze seines Studiums zurückgreifen und fasste sich kurz, weil er wusste, dass Gründer sich für die pädagogische Seite seines Bildungsunternehmens nur begrenzt interessierte. Bei einem Charakter wie Gründer, der sich durch mäßige Intelligenz, ein relativ gutes Herz und nervöses Verpflichtungsgefühl gegenüber seiner einst glorreichen, inzwischen auf zutiefst bundesrepublikanische Weise unspektakulär gewordenen Familiengeschichte auszeichnete, schadete es nicht, ein wenig dick aufzutragen. Smutek brachte den Namen >Salem< ins Spiel. Eine Schule müsse wie jede andere Firma an die Zukunft denken. Nie dürfe man den metaphorischen Brummkreisel vergessen: Stillstand bedeute Untergang.
    Gründer, der seine Schule nicht ungern als Firma verstanden wusste, würde das Brummkreisel-Gleichnis in seiner nächsten Ansprache verwenden. Er pflichtete Smutek in allen Punkten bei und lobte den Plan, zunächst eine Erweiterung der existierenden Anlage ins Auge zu fassen. Gern erklärte Smutek sich bereit, Gründers hervorragende Ideen auf der nächsten Lehrerkonferenz zu präsentieren. Die Schulleitung würde begeistert sein. Dessen war er völlig sicher.
    Masuren bestand aus großen blauen Wasser-Augen, umgeben von rotbraunem Laub. Frau Smutek mähte Gras und backte Kuchen aus den letzten, gelblichen Schrumpfköpfen in den fast kahlen Zweigen des Apfelbaums. Smutek besserte das Dach aus und imprägnierte Fensterläden. Auf der Terrasse, einem mit handverlegten Steinplatten gepflasterten Gartenstück, trafen sie sich am frühen Nachmittag zum ersten Drink. Die Sonne stieg und sank auf Polnisch, bleich und melancholisch, ihren Zweck nur halb erfüllend und immer ein bisschen beleidigt. Am Abend deckte dünner Nebel den Wasserspiegel zu. In Seemannspullovern standen sie am Grill und brieten Fische, aßen im Stehen und liebten sich auf der Kellertreppe. Zwei Wochen zerflossen zu einem einzigen Tag und einer langen Nacht, erfüllt vom Geruch getrockneten Grases und feuchter Erde, von schüchternem Vogelzirpen, lauer Luft und kühlen Sonnenstrahlen. Auf der Rückfahrt sprachen sie kein Wort, als wäre alles, was es zu bereden gab, in dem kleinen Haus am See zurückgeblieben.
    Am ersten Schultag nach den Ferien schickte Gründer einen Schüler, um Smutek in sein Büro zu holen, und nannte ihm eine Summe, die keine großen Sprünge, wohl aber erste Schritte erlauben würde.
    Auch bei Ada beginnt Alltägliches zu geschehen
    I ndessen weigerte Ada sich standhaft, den ihr angetragenen Plänen zur Erweiterung der Schülerband zuzustimmen und ein weiteres Mal ans Mikrophon zu treten. Dafür erschien sie regelmäßig zu den Proben und rauchte in den Pausen häufig vor der Tür des Fahrradkellers, wo die Bandmitglieder sich trafen wie Kaninchen am Eingang ihres Baus. Manchmal kamen die Ohren mit ihren fettigen Haaren und bunt bedruckten Lederkutten zu einem Gegenbesuch auf den Raucherhof, grüßten Ada wie einen Mann mit Handschlag hoch in der Luft, schnorrten die zerbrechlichste Prinzessin um Zigaretten an und ließen sie gleich darauf stehen, um eins ihrer üblichen Gespräche zu beginnen. Ob Lyrik bereits

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