Spin
bringen. Erst einmal aber hatten wir etwas anderes zu tun: Der Sicherheitskordon am Eingang zur Caféteria geriet in Bewegung. Einer der Anzugträger kam herein und sagte: »Oben verlangt man nach Ihnen.«
Wun kletterte von seinem Stuhl herunter. Ich sagte, dass wir uns dann später sehen würden.
Der Sicherheitsmann wandte sich mir zu. »Sie auch. Es wird nach Ihnen beiden verlangt.«
Wir wurden in einen an Jasons Büro angrenzenden Konferenzraum geschleust, wo Jason und eine Hand voll von Perihelion-Abteilungsleitern einer Delegation gegenüberstanden, der E. D. Lawton und der mutmaßlich neue Präsident Preston Lomax angehörten. Keiner von ihnen machte einen sonderlich glücklichen Eindruck.
Ich hatte E. D. seit längerem nicht mehr gesehen. Seine Hagerkeit hatte mittlerweile etwas beinahe Krankhaftes, als würde der Lebenssaft langsam aus ihm heraussickern. Gestärkte weiße Manschetten, knochige braune Handgelenke. Sein Haar war schütter, kraftlos, aufs Geratewohl gekämmt. Aber seine Augen waren noch immer wieselflink; schon immer waren E. D.s Augen um so lebendiger gewesen, je wütender er war.
Lomax dagegen wirkte einfach nur ungeduldig. Er war zu Perihelion gekommen, um sich mit Wun fotografieren zu lassen – die Fotos sollten nach der offiziellen Bekanntgabe veröffentlicht werden – und um über das Replikator-Projekt zu sprechen, für das er sich einzusetzen beabsichtigte. E. D.s Anwesenheit war seiner Reputation geschuldet – er hatte so lange geredet, bis er an der Wahlkampfvisite des Vizepräsidenten teilnehmen durfte, und hatte offenbar mit dem Reden seither nicht mehr aufgehört.
Während des einstündigen Rundgangs durch die Anlage hatte E.D praktisch jede Äußerung von Jasons Abteilungsleitern in Frage gestellt, offen angezweifelt oder mit Häme beziehungsweise dick aufgetragener Besorgnis kommentiert, insbesondere, als die Besuchergruppe sich im Bereich der neuen Inkubator-Labore bewegte. Jason – so berichtete mir später Jenna Wylie, die Leiterin des Kryonik-Teams – hatte jeden Ausbruch seines Vaters mit geduldigen, vermutlich wohlvorbereiteten Darlegungen gekontert. Woraufhin E. D. sich nur noch mehr in Rage redete und schließlich, Jenna zufolge, an einen »zum Wahnsinn getriebenen Lear« gemahnte, der sich über »hinterhältige Marsianer« ereiferte.
Die Schlacht war noch im Gange, als Wun und ich eintraten.
E. D. stützte sich gerade auf den Konferenztisch und sagte: »Kurzum, es hat so etwas noch nie gegeben, es ist unerprobt und es stützt sich auf eine Technologie, die wir weder verstehen noch kontrollieren können.«
Jason lächelte wie jemand, der viel zu höflich ist, um einen angesehenen, aber leicht verschrobenen Älteren zu beschämen. »Es liegt auf der Hand, dass alles, was wir tun, mit einem gewissen Risiko behaftet ist. Aber…«
Aber jetzt waren wir gekommen. Einige von den Anwesenden hatten Wun noch nie gesehen und gaben dies deutlich zu erkennen, indem sie ihn wie eine aufgescheuchte Herde Schafe anstarrten. Lomax räusperte sich vernehmlich. »Entschuldigen Sie, aber ich müsste mich jetzt unbedingt einmal mit Jason und unseren Neuankömmlingen unterhalten – ungestört, falls das möglich ist? Dauert wirklich nur eine Minute.«
Und so begaben sich alle, die damit angesprochen waren, gehorsam nach draußen, E. D. eingeschlossen, der freilich keinen hinauskomplimentierten, sondern eher einen triumphierenden Eindruck hinterließ.
Die Türen wurden geschlossen, und die gepolsterte Stille des Konferenzsaals senkte sich wie frisch fallender Schnee. Lomax wandte sich Jason zu. »Ich weiß, Sie haben gesagt, wir würden unter Beschuss stehen. Trotzdem…«
»Es ist ziemlich starker Tobak, das ist mir klar.«
»Es passt mir nicht, wenn E. D. uns von außen ins Zelt pinkelt. Aber er kann uns letztlich nichts anhaben, vorausgesetzt…«
»Vorausgesetzt, seine Aussagen sind unbegründet. Ich versichere Ihnen, dass das der Fall ist.«
»Sie sagen, er ist senil.«
»So weit würde ich nicht gehen. Wenn Sie mich aber fragen, ob ich glaube, dass sein Urteil fragwürdig geworden ist, dann allerdings ist die Antwort ja.«
»Ihnen ist klar, dass diese Unterstellung in beide Richtungen geht.«
Noch nie in meinem Leben hatte ich mich in der Gegenwart eines amtierenden Präsidenten befunden. Lomax war zwar noch nicht gewählt, aber zwischen ihm und dem höchsten Amt standen nur noch reine Formalitäten. Als Vize hatte er immer ein wenig düster gewirkt,
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