Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Spines - Das ausradierte Ich (German Edition)

Titel: Spines - Das ausradierte Ich (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Scherm
Vom Netzwerk:
Ihre Wände waren aus Beton gegossen und vollkommen kahl bis auf das Muster der Verschalungsbretter, das noch deutlich zu erkennen war. Außer einer Toilette in der rechten hinteren Ecke und einem kleinen Waschbecken gab es keinerlei Einrichtung. Auch nach einem Fenster suchte Paul vergeblich. Es gab lediglich einen schmalen Lüftungsschacht am hinteren Rand der Decke, der mit einem Eisengitter aus ungefähr zwei Zentimeter dicken Stäben gesichert war. Die Eingangstür war aus uraltem Eisen mit einem kleinen Kontrollfenster in der Mitte und vollkommen mit Rost überzogen. Trotzdem stellte sie ein unüberwindbares Hindernis dar. Ihre Scharniere waren sehr mächtig und die drei stählernen Riegel, die den Verschluss bildeten, wären auch für eine Flex eine ziemliche Aufgabe gewesen.
    So sehr sich Paul auch anstrengte, ein Geräusch auszumachen, es gelang ihm nicht. Jenseits der Zellentür herrschte vollkommene Stille. Auch von Sarah hatte er nichts mehr gehört. Wahrscheinlich hatte man sie in einer entlegenen Zelle am Ende des Gangs untergebracht. Zu weit entfernt, als dass Paul ihre Schreie noch hätte wahrnehmen können. Er dachte nach. Niemand wusste von ihrer Verhaftung, außer Robert. Und Robert schien eine Sonderstellung bei Gene Design Tech inne zu haben. Er schien mehr Macht zu besitzen als Jack Cruise. Jedenfalls fürchtete er Jack nicht im Geringsten. Und das war ungewöhnlich, denn alle anderen Beschäftigten bei GDT, einschließlich der Wissenschaftler, hatten großen Respekt vor Jack. Sie wussten, dass sie von seinem Wohlwollen abhingen, dass er ihre Forschungsprojekte nach Gutdünken behindern oder fördern konnte. Keiner von ihnen hätte es gewagt, eine derartige Entscheidung wie ihre Verhaftung sie darstellte, ohne Rücksprache mit Jack zu treffen. Robert musste also über eine ganz besondere Machtposition im System von GDT verfügen. Denn soweit Paul wusste, war er eine Hierarchieebene unter Jack Cruise angesiedelt und im Normalfall zu einer derart weitgreifenden Entscheidung unter keinen Umständen befugt.
    Er konnte nicht mit letzter Sicherheit sagen, was er auf dem Rechner von Robert gesehen hatte, aber es hatte ihn zutiefst beunruhigt. Wenn seine Vermutungen stimmten, hatte man bei Gene Design Tech einen Quantensprung geschafft und verfügte über Möglichkeiten, die Paul erschreckten, vor allem wenn er sich Jochens Tat noch einmal vor Augen führte und sich die Daten vergegenwärtigte, die Sarah ihm mitgegeben hatte. Wenn seine Vermutungen richtig waren, dann waren sie jetzt in allerhöchster Gefahr. Die Zelle, in der er sich befand, sprach eine deutliche Sprache und hatte nicht gerade eine beruhigende Wirkung auf seine Psyche. Sie mussten um jeden Preis hier raus. Und sie mussten unbedingt noch einmal in das Hochsicherheitslabor von GDT zurück und sich in Ruhe umsehen. Er hatte noch keine Ahnung, wie sie das bewerkstelligen sollten. Aber darüber konnte er nachdenken, wenn sie hier raus waren. Wenn sie das nicht schafften, waren alle weiteren Überlegungen Makulatur.
    Langsam wurde er müde. Er breitete die Wolldecke, die zwei ausgewaschene gelbe Querstreifen zierten, unmittelbar hinter der Eisentür auf den Boden aus und legte sich hin. Eng an die Zellentür geschmiegt, lauschte er weiter in den Gang hinaus. Er wollte auf keinen Fall seine Chance verpassen. Irgendwann würde jemand kommen, um nach ihnen zu sehen. Wenn heute nicht mehr, dann morgen. Und dann würde sich ihm vielleicht eine Chance bieten, zu entkommen.
    Plötzlich hörte er Schritte. Dem Klang nach zu urteilen, war es eine einzelne Person, die sich näherte. Die Person blieb vor Pauls Tür stehen. Es klopfte. Das kleine Kontrollfenster in der Tür ging auf und eine Stimme schrie im Befehlston: »Treten Sie von der Tür zurück! Stellen Sie sich an die Wand gegenüber und legen Sie die Hände hinter den Kopf!«
    Paul hatte sich auf diesen Moment vorbereitet. Immer wieder hatte er sich diese Situation vor seinem geistigen Auge vorgestellt und seine Handlungen und Reaktionen durchgespielt.
    Er stand langsam auf und trat rückwärtsgehend Schritt für Schritt von der Tür zurück. Jeder Muskel an ihm war gespannt. Den Blick fest auf die Tür gerichtet, bereitete er sich auf den entscheidenden Sprung vor. Als die Riegel der Eisentür sich quietschend zu drehen begannen, war er entschlossen, seine Chance ohne eine Sekunde des Zögerns zu nutzen.
    Das Quietschen der Riegel verstummte. Mit einem Fußtritt wurde die Tür nach innen

Weitere Kostenlose Bücher