Spinnenfalle
lassen!«
Aber das war mir schnurzpiepegal. Ich marschierte zur Straßenbahnhaltestelle.
Was sollte ich jetzt tun?
Ich rief Laura an.
»Mensch, Alex, hast du schon gehört? Martha hat ein Date!«, jubelte sie.
»Ja«, sagte ich.
»Was ist los? Du hörst dich so komisch an?«
»Nein, alles bestens, ich freu mich für Martha.«
»Ich kann heute übrigens auch nicht«, sagte sie. »Ich darf meine Mutter bei einer Shoppingtour begleiten - da fällt garantiert was für mich ab.«
»Super«, sagte ich. »Dann bis morgen.«
»Tschüs, meine Süße«, jodelte sie und wir beendeten das Telefonat.
Danach versuchte ich, Marlon anzurufen, aber sein Handy war abgeschaltet - das bedeutete, er machte Sport.
Aus alter Gewohnheit stieg ich in die Bahn, die zu uns fährt. Es war inzwischen nach zwei. Wenn ich Glück hatte, war das Haus leer.
Als ich aus der Bahn stieg, sah ich Ljuba mit den Zwillingen in die andere Richtung davongehen.
Ich atmete auf.
Ich wollte niemandem begegnen.
Ich benutzte die Keller-Haustür und lauschte. Im Haus war alles still. Es ist schon schlimm, wenn man sich wie eine Diebin in sein Elternhaus schleichen muss.
In meinem Zimmer lag Tante Henny auf dem ungemachten Bett und streckte eine Pfote nach mir aus.
Ich setzte mich zu ihr und streichelte ihr weiches Fell.
Ich hatte null Ahnung, wie es weitergehen würde.
Ich wollte nicht mehr mit Ljuba unter einem Dach wohnen, ich wollte mir nicht mehr die Vorwürfe meiner Eltern anhören müssen.
Ich wollte Ruhe.
Ich schlüpfte unter die Bettdecke und schlief ein.
Ich wachte auf, weil es klingelte.
Wie heißt das alte Sprichwort? Wenn die Not am größten ist, erwächst irgendwoher Hilfe.
Aber daran dachte ich überhaupt nicht, als es an diesem Nachmittag klingelte.
Ging jemand an die Tür?
Mein Vater war im Gericht. Meine Mutter war in der Bibliothek. Daniel beim Kicken. Und die Zwillinge waren mit Ljuba fortgegangen.
Es klingelte wieder. Laut und lange.
Aber ich hatte keine Lust, an die Tür zu gehen. Ich wollte mit niemandem reden.
Es klingelte wieder. Noch lauter und noch länger.
Widerwillig stand ich auf, zupfte meine Klamotten gerade und lief nach oben an die Haustür.
Durch die geriffelte Glasscheibe konnte ich nicht erkennen, wer da stand. Ich holte tief Luft und öffnete die Tür.
Vor mir stand eine junge Frau, klein, rundlich, mit platinblonden Haaren. Sie erinnerte mich an Sina, aber sie war viel jünger und trug ein knallrotes T-Shirt zu einer weißen, knallengen Jeans.
»Ja bitte?«, fragte ich.
Sie musterte mich mindestens genauso gründlich wie ich sie.
»Gestatten, heiße ich Ewa. Ewa Tschernowski. Ich bin Freundin von Ljuba, okay?«
Das war bestimmt eine russische Freundin aus dem Sprachkurs.
»Tut mir leid, aber Ljuba ist nicht da«, sagte ich. »Wollen Sie ihr vielleicht eine Nachricht hinterlassen?«
Plötzlich verschwand ihr Lächeln und ihr Gesicht verzerrte sich. »Immer nicht da!«, polterte sie los. »Das geht nicht! Das ist nicht okay!«
Ich war erschrocken einen Schritt zurückgetreten. »Entschuldigen Sie, aber ich weiß nicht, was Sie wollen. Ich kenne Sie doch gar nicht!«
Diese Ewa versuchte jetzt sichtlich, sich zu beherrschen. »Ljuba schuldet mir Geld«, sagte sie etwas leiser. »Ich will mein Geld, okay?«
Oh - das klang ja ziemlich interessant.
»Davon weiß ich nichts«, sagte ich. »Ich kenne mich in Ljubas Geschäften nicht aus.«
»Bah!«, stieß die Blonde hervor. »Keine Geschäfte, sondern Versprechen! Ehrenwort! Sie sagt, sie gibt Geld, aber sie gibt nicht. Ich rufe an, ich rufe wieder an, okay, aber kein Geld, kein Geld, bis heute nicht!«
»Das ist blöd«, sagte ich lahm, während meine Gedanken wild umherrasten. In was für dubiose Machenschaften war unsere Perle verwickelt? Wieso versprach sie einer Frau Geld und bezahlte dann nicht?
Spannend!
»Sehr blöd!« Sie nickte heftig. »Sagen ihr, ich komme wieder und will Geld, okay?«
»Okay«, sagte ich.
Sie drehte sich um und lief die paar Stufen zum Vorgärtchen hinunter. Unten wandte sie sich noch einmal um und grinste schief.
»Sie zahlt Geld oder ich erzähle, okay?«
Nach diesem letzten Giftpfeil ging sie rasch die Straße hinunter und verschwand aus meinem Blickfeld.
Ich stand wie festgenagelt in der Türöffnung und grübelte über ihre letzten Worte nach.
Sollte Ljuba dieser Ewa Geld geben, damit sie schwieg? Wusste die etwas, von dem Ljuba nicht wollte, dass andere es erfuhren?
Sollten wir davon nichts
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