Spion Für Deutschland
ein komfortables Apartment im Hotel Fürstenhof. Täglich waren ihm zwei Flaschen Rotwein und eine Flasche Kognak auszuhändigen. Außerdem durfte er sich ganz offiziell jeden Tag zwei Ampullen Morphium abholen, das er sich selbst spritzte. Die Firma Siemens mußte ihm eine ganze Werkhalle frei machen. Mit Spott und mit der geballten Faust in der Tasche beobachteten die Ingenieure die Experimente des überhageren Cagliostro aus dem Orient. Sie hatten den Auftrag, ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Und er äußerte jeden Tag einen neuen. Seine Ansprüche wurden immer
ungeheuerlicher. Gänseleberpastete, Austern, Kaviar, Champagner. Er aß nur Weißbrot und ließ die Kruste liegen. Jeden Morgen mußte ihm ein Milchgericht serviert werden, das er auf den Fußboden der Siemens-Kantine zu schütten pflegte. Die unterernährten, überbeschäftigten Arbeiterinnen beschwerten sich über diesen unzeitgemäßen Snobismus, aber man bedrohte sie mit einer Anzeige wegen Sabotage, wenn sie Dr. Dudt, von dessen Fähigkeiten man so viel erwartete, Schwierigkeiten machen würden.
Der Lebenshunger des Inders war größer, als man seiner klapprigen Gestalt zugetraut hätte. Das Amt VI mußte wiederholt eingreifen, um seine
Liebesaffären zu schlichten, zu korrigieren, zu finanzieren oder zu beenden.
Dr. Dudts Experimente dauerten vier Monate und kosteten al es in allem einige Millionen. Sie ergaben etwa zehn Kubikzentimeter Benzin, die der Zauberer aber einem stil gelegten Motorrad entnommen hatte. Er kam in das KZ Dachau.
Der zuständige Referent im Amt VI wurde abgelöst und an die Front versetzt.
Der Fal Dudt blieb eine >Geheime Kommandosache<. Sollte ich, ohne es zu wol en und selbstverständlich auch ohne die seltsamen Nebenerscheinungen des >genialen Erfinders<, ein Dr. Dudt des Panamakanals werden?
Ich erlebte eine eigenartige Überraschung. Ich stellte fest, daß man den Panamakanal tatsächlich außer Gefecht setzen konnte. Ganz einfach sogar.
Wenn alles klappte. Ich fuhr nach Breslau und traf den Ingenieur Hubrich, einen alten Herrn mit jungem Gesicht, der um die Jahrhundertwende das Abenteuer seines Lebens in Mittelamerika gesucht und gefunden hatte. Später war er zu einem der leitenden Ingenieure des Panamakanals avanciert. Er hatte noch alle Pläne in Verwahrung. Ich weiß nicht mehr, wer auf Herrn Hubrich gestoßen war.
Als ich zu ihm fuhr, war ich noch ein Gegner des Projekts, das ich leiten sollte.
Wir trafen uns in einer Gaststätte, tranken Dünnbier und aßen dazu Frikadellen und Kartoffelsalat, der mit Wasser angemacht worden war.
»Ich möchte mich mit Ihnen über eine komische Sache unterhalten«, begrüßte ich Hubrich. »Gibt es eine Chance, den Panamakanal in die Luft zu sprengen?«
»Alles, was durch Menschenkraft errichtet wurde, kann durch Menschenkraft auch wieder zerstört werden«, erwiderte Hubrich. Mir fiel auf, daß er eine frappante Ähnlichkeit mit dem Lehrer meines Lebens hatte.
»Die Sache hat nur einen Haken«, fuhr ich fort, »ich habe bei der Sprengung nicht so lange Zeit, wie Sie damals beim Bau hatten.«
»Was haben Sie vor?« fragte er interessiert. »Gesetzt den Fall«, erklärte ich, »es gelänge uns, auf eine noch festzustellende Weise Flugzeuge in die
Panamakanalzone zu schicken und mit ihnen einen Angriff auf die Gatun-Schleusen zu fliegen . . .«
»Warum denn ausgerechnet auf die Schleusen?« fragte er. »Haben Sie eine Ahnung, wie es im Panamakanal aussieht?« »Ja«, entgegnete ich.
Die Kellnerin kam an den Tisch, und ich bestellte zwei neue Frikadellen.
»Sie müssen ja viele Marken haben«, sagte Ingenieur Hubrich. »Mir geht es zur Zeit gar nicht gut. Meine Tochter ist mit einem Unteroffizier der Luftwaffe auf und davon gegangen, und jetzt muß ich meine eigene Kunst in der Küche entfalten.«
Er nahm einen Bierfilz und holte aus seiner Tasche einen Bleistift. »Sehen Sie einmal her«, sagte er. Er zog einen Strich. »Das hier ist der Spil way beim Gatun-See. Das ist ein Überlaufwehr. Es ist aus sehr solidem Material gebaut.
Wir haben damals, 1907, natürlich noch nicht an einen Fliegerangriff gedacht.
Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstel en können, wieviel Wasser im Panamakanal herumschwimmt und welchen Druck es entfaltet. Mit dem Wasser einer einzigen Schleuse könnte man eine Millionenstadt wie Boston einen ganzen Tag lang versorgen.« »Das ist mir schon klar«, erwiderte ich. Er freute sich, daß er jemanden gefunden hatte, mit dem er über den
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