Spion Für Deutschland
nicht gefaßt. Wer würde mich verraten? Wo würde es nach Kaffee duften, während mir der Henker den Strick um den Hals legen wird?
Ich hatte noch zwei Tage Zeit, alles zu regeln, was zu tun war. Meine Dienststelle bestand darauf, für mich eine Lebensversicherung abzuschließen.
»Wir bringen das in Ordnung«, sagte Dr. S. »Die Sache wird natürlich getarnt.
Wir bezahlen für Sie die Prämie weiter. Wenn Ihnen etwas zustößt, erhalten Ihre Angehörigen 100 000 Mark. Sie müssen nur angeben, wem das Geld zugute kommen soll.«
»Meinem Vater«, erwiderte ich.
Wir verbrachten den letzten Abend in einem Berliner Hotel. Wir waren zu dritt: Meine Freundin Margarete, eine Angestel te des Amtes VI, Bil y und ich. Wir saßen in der Hal e und tranken Wein. Billy war betrunken. Ab und zu fuhr er hoch und sagte etwas auf englisch.
»Halt den Mund«, erwiderten wir ihm jedesmal. Da er uns so viel Ärger machte, hatten wir ihm verboten, in der Öffentlichkeit zu sprechen.
In seinem Koffer lag die Uniform eines deutschen Marineleutnants. Für die Tage der U-Boot-Überfahrt war Billy zu einem Leutnant zur See avanciert, der kein Wort Deutsch sprach.
»Ich sehe dich nie wieder«, sagte Margarete.
»Unsinn«, erwiderte ich.
»Die Sache ist hoffnungslos. Das sagen sie alle bei uns.«
»Sie sollten besser den Mund halten«, antwortete ich.
Margarete deutete auf Bil y.
»Ich trau' ihm keine Sekunde«, sagte sie. »Du wirst sehen, er wird dich verraten.«
»Das glaube ich nicht«, entgegnete ich.
»What does she say?« fragte Billy.
»Du sollst den Mund halten«, erwiderte ich.
»Sieh dir nur seine Affenarme an«, fuhr Margarete fort, »und dann die Augen.
Der kann einen doch nie richtig ansehen. Du hast dir da was Schönes
aufgelesen. Der Stolz vom Amt VI. Ihr werdet euch noch wundern.«
Wir tranken weiter. Wir wurden lustig. Wir wurden traurig. Wir blieben noch eine Stunde im >Fürstenhof<. Als wir gehen wollten, kam ein betrunkener Ortsgruppenleiter in Uniform in die vollbesetzte Halle.
»Leute«, schrie er, »Leute, ganz London brennt! Die neuen Geheimwaffen sind da. Ganz London steht in Flammen! So etwas hat die Welt noch nicht gesehen.«
Er drehte sich nach allen Seiten um.
»Heil Hitler!« rief er.
»Halt's Maul!« erwiderte ihm Billy. Das waren die einzigen deutschen Worte, die er von uns angenommen hatte.
Der Goldfasan hielt sich am Stuhl fest.
»Unserem Führer ein dreifaches >Sieg Heil Niemand erwiderte etwas darauf.
Er deutete mit dem Finger von Tisch zu Tisch.
»Nach dem Krieg«, sagte er, »hängen wir euch alle auf. Euch werde ich alle noch beerdigen.«
»Ein schöner Abschied«, sagte Margarete zu mir.
Wir hatten jetzt noch vier Stunden Zeit für uns. Nach vier Stunden mußten wir uns auch von unserem persönlichen Glück verabschieden. Aus Angst vor der Zeit sahen wir immer wieder auf die Uhr. Margarete sah besonders nett aus. Sie trug ein enganliegendes Kostüm. Sie war blaß. Das stand ihr gut. Wir wollten nicht über meinen Auftrag sprechen, aber wir kamen immer wieder darauf zurück. Man denkt immer an das am meisten, was man von sich fernhalten will.
Margarete wollte mich an das U-Boot begleiten. Aber das war verboten. Nicht nur, weil mein Auftrag >Geheime Kommandosache< war. U-Boot-Männer sind abergläubisch. »Ein langes Haar in der Schraube bringt ein Boot zum Sinken«, sagen sie. Es dürfen auch keine Blumen an Bord. »Blumen machen ein Boot zum Sarg.«
Billy und ich fuhren in Zivil nach Kiel. Mein Begleiter fing an, nervös zu werden.
Bisher hatte er sich ausgezeichnet gehalten. Seine Rolle als zweiter Held gefiel ihm. Er war mutig, besonders, wenn er getrunken hatte. Er erhielt die Agenten-Nummer 146/2. Er figurierte sozusagen unter Anhang Gimpel. Meine
Dienststelle vertraute ihm bedenkenlos. Er war ein Mann, wie nach Maß für uns geschaffen.
Die Ausrüstung wurde auf das Schiff verladen: zwei Seesäcke mit überschweren Schlössern. Sie enthielten 60000 Dol ar, Diamanten im Werte von 100000
Dollar, automatische Pistolen, Funkteile, Fotoapparate, Geheimtinte. Ich hatte schulmäßig geübt, meine langen Beine im U-Boot zu verstauen. Ich hatte absolut keine U-Boot-Maße, und anfänglich schmerzten alle Glieder.
Mein Erscheinen in Kiel war für die U-Boot-Leute eine kleine Sensation. Man hielt mich für einen echten Marinebaurat.
Der Kommandant des U-Bootes, das mich in die Frenchman-Bai schaffen sollte, war Kapitänleutnant Hilbig. Wir verstanden uns vom ersten
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