Spion Für Deutschland
hatte ich beobachtet, daß man mit mir immer besonders liebenswürdig verfuhr, wenn Billy in der Nähe war. Das sah dann so aus:
»Haben Sie einen Wunsch, Mr. Gimpel?« fragte mich der Wärter.
»Nein«, erwiderte ich.
»Haben Sie Beschwerden vorzubringen?«
»Auch nicht.«
»Whisky darf ich Ihnen leider keinen bringen, aber viel eicht können wir Ihnen eine andere Erfrischung anbieten?«
»Bringen Sie mir ein Coca-Cola«, bat ich.
Einmal besuchte mich ein Oberst.
»Wie weit gehen Sie täglich spazieren?« fragte er mich.
Ich sah ihn verständnislos an.
»Man verschafft Ihnen doch Bewegung, Mr. Gimpel?«
»Ich mache meine Fußmärsche in der Zelle, Colonel«, entgegnete ich.
Sein Gesicht lief rot an. Er ließ den Offizier des Bewachungskommandos rufen.
»Jeder Häftling hat Anspruch auf frische Luft«, schrie er ihn an, »wie kommt es, daß Sie Mr. Gimpel nicht aus der Zel e lassen?«
»Wie soll ich das machen, Sir?« antwortete der Captain. »Ich habe strenge Anweisung, ihn nicht mit den anderen Gefangenen zusammenzulassen.«
»Dann sperren Sie eben die anderen so lange ein«, sagte der Oberst. Er bot mir eine Zigarette an, gab mir Feuer und setzte hinzu: »Um diese Burschen ist es meistens sowieso nicht schade.«
Immer wenn es dunkel wurde, durfte ich nunmehr meine Runden auf dem
riesigen Hof des kreisrunden Fort Jay drehen. Die Wachmannschaften sahen mir dabei zu. Einmal klatschten sie, als ich an ihnen vorbei kam. Und der Koch fragte mich, ob ich mit seinem Essen zufrieden sei. Ich war, wie gesagt, der Stolz von Fort Jay. Unter den Häftlingen war auch der frühere Trompetensolist des berühmten amerikanischen Jazz-Orchesters Benny Goodman. Er blies jeden Abend zum Entzücken der Wachmannschaft und der Gefangenen Trompete.
Anstel e des Zapfenstreiches tremolierte er: >Good night, Lady.< Er war wegen eines militärischen Delikts eingesperrt und
sollte bald entlassen werden. Seine Wächter erfüllten ihm jeden Wunsch. Sie waren al e musikalisch . . .
Ich mochte drei Wochen in Fort Jay gewesen sein, da wurde
es ernst: Die Majore Charles E. Reagin (Offizierspatent 0239034 TC) und John E.
Haigney (030772 INF) erwarteten mich im Besucherraum. Beide waren in mittleren Jahren, schlank, gewandt und liebenswürdig. Sie stellten sich mit so perfekter Höflichkeit vor, als hätten wir uns im >Waldorf< zu einer geschäftlichen Besprechung getroffen.
»Wenn Sie einverstanden sind«, begrüßten sie mich, »sind wir bereit, in dem Gerichtsverfahren Ihre Verteidigung zu übernehmen.«
»Ich danke Ihnen vielmals«, erwiderte ich, »selbstverständlich bin ich damit einverstanden.«
»Wir kennen Ihre Aussagen«, entgegnete Reagin, »juristisch liegt Ihr Fal vollkommen klar.«
»Ja«, sagte ich.
Wir setzten uns und rauchten.
»Wir verteidigen Sie mit allen Mitteln, das garantieren wir Ihnen. Wir können Ihnen auch versichern, daß das Gericht in keiner Weise Ihre Verteidigung beschneiden wird. Es tritt schon in allernächster Zeit zusammen. Präsident Roosevelt hat es persönlich angeordnet.«
»Und wie taxieren Sie meine Chancen?« fragte ich.
Der Major betrachtete mich gelassen.
»Rechtlich gesehen, haben Sie gar keine«, erwiderte er. »Das wissen Sie genausogut wie ich. Ich glaube, wir sollten uns da nichts vormachen.«
Ich nickte.
»Und trotzdem halte ich Ihren Fall nicht für hoffnungslos«, fuhr Reagin fort.
»Wenn Deutschland kapituliert, rettet Ihnen das vielleicht das Leben. Wenn der Krieg aber nicht zu Ende geht, wird man Sie hängen. Ihr Leben startet sozusagen zu einem Wettlauf mit dem Kriegsende. Lange kann es nicht mehr I ausbleiben. Die Russen stehen an der Oder, unsere Truppen im Ruhrgebiet.«
»Gute Nachrichten bringen Sie mir da«, entgegnete ich. »Wir müssen das Verfahren so lange verschleppen, wie es geht«, versetzte Reagin. »Ich wil Ihnen hier einmal etwas sagen: Wir benutzen jeden Trick, jede Masche. Wir machen es der Anklage so schwer wie nur irgend möglich. Zunächst werden wir den Beginn des Verfahrens verzögern. Wir sind noch nicht mit dem Aktenstudium fertig.
Damit schinden wir eine Woche heraus. Und jetzt hören Sie mir gut zu.«
Der Major stand auf und ging im Zimmer hin und her. Er hatte eine gesunde, frische Gesichtsfarbe. Auf seiner linken Uniformseite trug er eine Stange Orden.
Er redete heftig und mittellaut und unterstrich seine Worte durch sparsame Gesten. »Man wird Sie in den Zeugenstand rufen. Man wird Sie fragen, ob Sie sich für schuldig oder
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