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Spion Für Deutschland

Spion Für Deutschland

Titel: Spion Für Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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abgelöst. Um zwölf Uhr würde er
    zurückkommen. Sein Nachfolger spendierte mir sofort eine Zigarette. Seltsam, auf Fort Jay wurden al e Vorschriften genau eingehalten, nur mit dem Rauchen
    — da machte jeder eine Ausnahme.
    Ein GI aus der Küche brachte mir ein zweites Frühstück: Bohnenkaffee, Hefegebäck, Butter und Marmelade. Er stel te es auf den winzigen Tisch.
    »Daß du mir heute anständig ißt«, sagte er, »so geht das nicht weiter. Gestern hast du das halbe Essen zurückgehen lassen . . . Nimm dir ein Beispiel an den anderen; die fressen wie die Scheunendrescher.«
    »Ich mag nichts.«
    »Davon wird es auch nicht besser«, entgegnete er. »Mit einem vol en Bauch läßt sich die Welt gleich wieder ganz anders an.«

    Er grinste. »Du brauchst eine anständige Marschverpflegung«, fuhr er fort.
    »Rutsch mir den Buckel runter!« Rauh, aber herzlich war der Ton auf Fort Jay.
    »Der Koch läßt fragen, was du morgen essen wil st«, fuhr der Soldat aus der Küche fort. »Er sagt, er kann eine Gans auf europäisch zurichten, mit Kastanien und so . . . Wenn du willst, brät er dir eine.«
    »Ich pfeife drauf«, antwortete ich, »ich wil nichts als meine Ruhe. Mach die Tür von draußen zu.«
    »Sofort«, entgegnete er, »ich weiß nicht, die anderen sind immer viel besser bei Laune, wenn ich sie besuche.«
    »Die anderen werden auch nicht übermorgen aufgehängt.«
    »Das stimmt auch wieder«, sagte er und ging endlich.
    Eine Viertelstunde blieb es ganz still. Ich legte mich auf die Pritsche, versuchte zu schlafen. Das war natürlich hoffnungslos. Heute noch. Morgen noch.
    Übermorgen noch. Dann ging es dahin, rechnete ich mir zum hundertsten Male aus. Um fünf Uhr früh würden sie mich holen. Sie würden mir noch eine Zigarette anbieten. Das Todesurteil würde noch einmal verlesen werden. Es war kurz. Es dauerte nicht lange. Dann zieht man mir eine schwarze Jacke an. Mit Kapuze. Die Kapuze muß ich aufsetzen. Dann führt man mich zur Richtstätte.
    Sie lag etwas außerhalb von Fort Jay. Gewöhnlich richtete man in Fort Jay niemanden hin. Fort Jay war militärisches Gelände. Und das Militär ist nicht zuständig für die Exekution. Normalerweise wenigstens nicht. Man schaffte die Todeskandidaten nach Sing-Sing. Sing-Sing liegt im Staate New York; dort richtet man die zum Tode Verurteilten auf dem elektrischen Stuhl hin. Ich aber wurde ausdrücklich zum Tod durch den Strang verurteilt. Sing-Sing war da nicht zuständig. Hinrichtung zuständigkeitshalber an Fort Jay abgetreten . . .
    Daher die Aufregung, die ständigen Besuche, die Sorge um mich. Nichts als der Reiz des Neuen: meine Hinrichtung.
    Bisher hatte ich mich noch nicht mit dem Tod beschäftigt. Wer denkt schon an den Tod, solange er jung und kräftig ist? Das Sterben war für mich etwas, das noch unendlich lange Zeit hatte. Später einmal, mit 70 oder 80 oder, wenn es geht, noch später. Wenn man alt geworden ist und müde, wenn das Essen nicht mehr schmeckt, wenn man nicht mehr richtig sieht, wenn die Hand zittert, da denkt man viel eicht an den ewigen Schlaf. Da kommt er vielleicht gar nicht so ungelegen. Da macht man eines Tages die Augen zu und wacht nicht wieder auf, und die Leute sagen:
    »Ja, der arme Erich . . . Alt ist er halt schon gewesen. Sicher war es so am besten für ihn.«
    Ich war aber nicht alt, zum Teufel. Ich wollte nicht sterben. Zum Teufel? Ich wol te leben. Leben wie jeder andere! Wie jeder andere, der jung und gesund ist. Ich sah in den Spiegel. Ich war etwas blasser und schmaler geworden, aber sonst war mein Gesicht das alte. Und dieses Gesicht würde es nur noch ein paar Tage geben. Ein paar Tage noch. Noch vierundzwanzig Stunden und ein paar Minuten. Und am Tor von Fort Jay würde ein Plakat hängen, auf dem stand:
    >Wegen Spionage, Sabotage und Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten von Nordamerika wurde heute morgen um fünf Uhr dreizehn der deutsche Staatsbürger Erich Gimpel alias Edward Green durch den Strang hingerichtet.
    Der Tod ist nach ärztlicher Feststellung 70 Sekunden nach der Exekution eingetreten. Gimpel war von einem Militärgericht für schuldig befunden worden. Der Oberste Amerikanische Gerichtshof hat das Todesurteil bestätigt.
    Der Präsident hat das Gnadengesuch des deutschen Spions abgelehnt.«
    Es war zwölf Uhr. Jonny war zurückgekommen.
    »Ich bin wieder da«, rief er.
    »Ich habe es gemerkt«, entgegnete ich. Diesmal war ich froh, daß er Wache hatte. Sein Geschwätz war mir lieber als

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