Spione, die die Welt bewegten
Schwächen
abzuschätzen. Kleinste Unachtsamkeiten oder auch zufällige Ereignisse reichten dann allerdings aus, und es kam tatsächlich
zur Schlacht. Einzelgefechte und kleine Scharmützel hatten oft die Aufgabe, dem Gegner zu demonstrieren, wie rasch und gut
eine Legion kämpfen konnte. Eingeschüchterte Gegner zogen sich unter diesem psychologischen Druck manchmal sogar völlig zurück
und flohen. Hatten eigene Späher allerdings vorher verlässliche Informationen geliefert, waren solche Abschätzungen seltener
notwendig. Risiken wurden besser kalkulierbar und man ging schnell zum Angriff über.
Während der Kaiserzeit bestanden die römischen Legionen aus hochtrainierten Berufssoldaten. Vor einer Schlacht rückten sie
diszipliniert in Linien vor und näherten sich ohne Kampfgeschrei und völlig ruhig ihren Gegnern. Diese Ruhe verunsicherte
den Gegner, der Kampfgeschrei erwartet hatte und auch meist selbst mit Kampfgeschrei angriff. Die Szene erschien unwirklich,
denn es ging Minuten später um Leben und Tod. Erst kurz vor dem Kontakt mit dem Gegner setzte bei den Römern ein völlig überraschendes
Kampfgeschrei ein, durch das die bereits angespannten Gegner zusätzlich noch erschreckt werden sollten; gleichzeitig half
das Geschrei den Legionären, die eigenen Spannungsgefühle abzubauen. Neben dem Einsatz von Spähern war den Römern somit auch |53| die psychologische Kriegsführung wichtig. Die frühen römischen Milizheere aus der Zeit der Republik kannten solche ausgefeilten
psychologischen Tricks nur selten. Beim Vorrücken zum Kampf klopften sie meist mit ihren Schwertern auf die Schilder und schrieen
sich laut die eigene Furcht von der Seele.
Cäsar landet mit seinen Truppen vor der Küste Britanniens (55 v. Chr.)
Das römische Spionagesystem diente allerdings nicht nur dem Militär, sondern auch der Diplomatie. Rom spielte gerne die Gegner
des Reiches gegenseitig aus, um selbst daraus Vorteile zu ziehen. Feinde sollten sich im Idealfall gegenseitig neutralisieren
und dann keine Gefahr mehr darstellen. In der Spätzeit des Römischen Reiches gewann diese Strategie immer mehr an Bedeutung.
Ein Beispiel bietet der Hintergrund des Nibelungenlieds, das sich literarisch abgeändert mit dem Schicksal der Burgunder beschäftigt,
die auch Nibelungen genannt wurden. Dieses Volk lebte einst an den Ufern der Ostsee und geriet in die Wirren der Völkerwanderung.
Zusammen mit den Vandalen durchstießen die |54| Nibelungen in den Jahren 406 und 407 n. Chr. die Grenze zum Römischen Reich und wurden nach einigen Auseinandersetzungen schließlich
ab 413 n. Chr. von den Römern geduldet. Sie erhielten Gebiete zwischen dem römischen Militärzentrum Mainz und dem Elsass;
ihre Hauptstadt wurde Worms. Als sie später ihr Siedlungsgebiet vergrößern wollten, kam es erneut zu Streitigkeiten mit dem
Römischen Reich. Jetzt spielte die durch eigene Spione stets gut informierte römische Diplomatie ihre Trümpfe aus. Zur gleichen
Zeit rannte nämlich auch das asiatische Reitervolk der Hunnen gegen das Römische Reich an. Wahrscheinlich brachten es römische
Gesandte fertig, die Hunnen davon zu überzeugen, dass die Nibelungen und nicht die Römer ihre eigentlichen Feinde seien. Ein
Heer der Hunnen fiel nun über die Nibelungen her und vernichtete fast das gesamte Volk. Mit dem Rest der Nibelungen machten
die Römer kurzen Prozess und siedelten sie um 443 n. Chr. südlich des Genfer Sees an. Später erhielt diese Gegend den Namen
Burgund.
Der Gallische Krieg
Nach seinen erfolgreichen Feldzügen in Gallien schrieb Caesar ein bedeutendes Werk über den Gallischen Krieg (De Bello Gallico),
das heute noch zum Lateinunterricht in den Schulen gehört. Caesar schildert darin unter anderem auch Methoden der Nachrichtenübermittlung.
Dabei war es für ihn wichtig, Menschen zu finden, die einerseits unauffällig waren und die andererseits möglichst zu den Einheimischen
gehörten. Im Gebiet der Nervier, heute Flandern (Belgien), wurde einmal eine Legion in ihrem Winterlager angegriffen und eingeschlossen.
Zahlreiche Legionäre waren durch Verletzungen kampfunfähig, und es war zu befürchten, dass das Lager jederzeit erobert werden
würde. Boten, die ausgeschickt wurden, um Verstärkung anzufordern, wurden erkannt und getötet. Im Lager gab es einen einzigen
Nervier, der übergelaufen war und einen Sklaven besaß, der die Sprache der Nervier beherrschte. Gegen eine hohe
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