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Spione, die die Welt bewegten

Titel: Spione, die die Welt bewegten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Reitz
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zerrissen wurde,
     lag Ersatzpapier in jeder nur denkbaren Form, Farbe und Ausstattung bereit. Geld spielte keine Rolle. Schriftspezialisten
     konnten jede Handschrift nachahmen und bei Intrigen auch neue Sätze in Briefe einfügen. Jeder nur denkbare Poststempel konnte
     nachgemacht werden. Verklebte Briefe wurden unter einem feinen Dampfstrahl geöffnet und später wieder zugeklebt. Als wichtige
     Briefe immer öfter durch einen privaten Boten direkt überbracht wurden, beschloss Richelieu 1628 eine Postreform mit dem Tatbestand
     des Briefschmuggels. Fortan durften Briefe nicht mehr privat sondern nur noch vom Staat befördert werden.
    |148| Unter König Ludwig XV. konnte nahezu jeder Bürger sicher sein, dass seine Briefe ausnahmslos vom Staat mitgelesen wurden.
     Im Pariser Hauptpostamt gab es einen besonderen Verteiler, um verdächtige Briefe auszusortieren. Oft wurde sogar über Missstände
     im Staat in privaten Briefen an Freunde berichtet, denn es bestand die berechtigte Hoffnung, dass sie gelesen und dann weitergemeldet
     wurden. Selbst die Mutter des Königs beschwerte sich und klagte, dass sie in Zukunft kein Siegel mehr benutzen werde, denn
     jeder ihrer Briefe würde sowieso gelesen und abgeschrieben werden. Sogar im Ausland unterhielt das
Cabinet Noir
geheime Nebenstellen, um für die französische Politik wichtige Korrespondenzen abzufangen und noch vor Ort auszuwerten. Großen
     Einfluss hatten Geheimdienstmitarbeiter, die Briefkopien zur Vorlage für den König zusammenstellten. Es war bekannt, dass
     dem König mancher politisch wichtige Brief vorenthalten wurde. Dafür versorgten sie ihn jeden Sonntag zum Amüsement mit Briefen
     über Hofintrigen oder geheime Liebschaften.
    Richelieus Nachfolger
    Noch zu seinen Lebzeiten hatte Richelieu seinen langjährigen Mitarbeiter Jules Mazarin, der wie er selbst Kardinal war, zu
     seinem Nachfolger aufgebaut. Mazarin war italienischer Abstammung, hieß eigentlich Giulio Mazzarini und hatte nach einer Ausbildung
     bei den Jesuiten bereits mit 20 Jahren als Jurist promoviert. Anschließend übernahm er bei den päpstlichen Truppen militärische
     und diplomatische Aufgaben und erntete erste Lorbeeren. Er galt als ähnlich gerissen wie Richelieu und genoss als Italiener
     dessen besonderes Vertrauen. Bei Franzosen war Richelieu meist misstrauisch und vermutete Rivalen. Mazarin setzte nach Richelieus
     Tod dessen politische Pläne und Aktivitäten einfach fort. Angeblich soll er sogar mit der Witwe von König Ludwig XIII. verheiratet
     gewesen sein. Bekannt wurde er als Vormund des noch kindlichen Sohnes der Königin, König Ludwig XIV. Erst nach dem Tod von
     Mazarin übernahm Ludwig XIV. im Alter von 23 Jahren vollständig die Staatsgeschäfte.
    Wie Richelieu legte auch Mazarin großen Wert auf einen guten Geheimdienst. Der Codebrecher Rossignol wurde von ihm weiter
     gefördert und verfeinerte seine Verschlüsselungssysteme. Mazarin warb weitere Spione an. Seinen Spion du Parc schickte er
     nach England, um dort erfolgreich geheime Gesandte des französischen Hochadels auszuspionieren. Einen weiteren wichtigen Spion
     fand Mazarin unter den Franziskanern. Pater Francis Berthod durfte sogar für seine Tätigkeit jede Art von Kleidung tragen,
     ohne gegen die Regeln seines Ordens zu verstoßen. Für kritische Situationen führte Pater Berthod geheime Botschaften mit sich.
     Als er einmal von Aufständischen verhaftet werden sollte, gelang es ihm, sich von einem Bauern gegen eine hohe Belohnung zum
     Herzog von Saint-Simon, einem Befehlshaber der königlichen Truppen, bringen zu lassen. Er übergab dem Herzog ohne weitere
     Aussagen einen Brief und ein |149| Wasserfläschchen, die beide nach der Anschrift eigentlich für einen Pfarrer bestimmt waren. In dem unauffälligen Brief war
     nur zu lesen, dass mit dem mitgeführten Wasser die Augen des Empfängers behandelt werden sollten, um besser sehen und lesen
     zu können. Ein Offizier des Herzogs verstand den Code. Er rieb das Briefpapier mit dem „Augenwasser“ ein und eine vorher unsichtbare
     Schrift wurde sichtbar. Das Schreiben war von höchster Stelle ausgestellt worden, legitimierte den Pater als besonderen Vertreter
     des Staates und gab Anweisungen zu seiner Rettung. Pater Berthod wurde daraufhin heimlich als Seemann verkleidet und unauffällig
     in Sicherheit gebracht.
    Ratschläge für Diplomaten
    François de Callières, Privatsekretär von König Ludwig XIV., verfasste 1716 einen Ratgeber für

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