Spionin in eignener Sache
und sich an einer früheren Stelle wieder einzuschalten. »Sie gehen zur Schule, und bis ich hier rauskomme, sind beide wahrscheinlich längst auf dem College.
Wenn ich überhaupt je rauskomme. Es sollte ihre Entscheidung sein, ob sie mich sehen wollen. Ich stelle sie mir immer viel kleiner vor.
So wie sie waren. Ich würde mich nur um mein eigenes Leben kümmern müssen. Angenommen, ich wollte an die Universität zurück und meinen Doktor machen. Würden Sie mir helfen?«
»Selbstverständlich. Das ist Ihre erste Frage, die ich eindeutig beantworten kann, denn in diesem Fall weiß ich, wovon ich spreche.
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Und ich glaube, wenn Sie den Wunsch äußern, daß Reeds Projekt sich Ihres Falls annimmt, wird Ihnen geholfen. Wohlgemerkt, ich sagte, ›ich glaube‹. Aber die Chancen stehen gut. Denken Sie dar-
über nach.«
»Das tue ich. Ich werde es mir überlegen. Könnten Sie mir noch ein Exemplar Ihres Buches über Hardy schicken?«
»Natürlich. Aber wie wär’s mit Hardy selbst? Soll ich Ihnen einige seiner Romane schicken?«
»Nein. Romane zu lesen, halte ich nicht aus, jedenfalls keine guten. Lieber lese ich etwas Literaturwissenschaftliches, aber so was ist hier natürlich nicht zu haben.«
»Ich sende Ihnen eine Auswahl. Aber wirklich schade – daß Sie keine Romane lesen, meine ich.«
»Die sind zu stark für mich, machen mir meine ganze Hoffnungs-losigkeit erst so richtig klar. Und die Heile-Welt-Romane, die viele Frauen hier lesen, mag ich nicht. Aber Literaturwissenschaft ist für mich wie ein Schleier, durch den ich die Romane betrachten und mir gleichzeitig fernhalten kann. Ich möchte nichts darüber lesen, wie sich Leute gegenseitig umbringen, nicht einmal von ihrem Haß will ich wissen. Oder von ihrer Liebe. Merkwürdig, nicht?«
»Eigentlich nicht. Sehen Sie fern? Dürfen Sie das?«
»Ja. Zu bestimmten Zeiten. Aber daran liegt mir auch nicht. Ich will mir mein Hirn nicht aufweichen lassen.«
»Und Sie haben niemanden, der Ihnen Bücher schickt?«
»Mein Freund packt mir ab und zu ein Paket. Doch ich wußte nie, um welche ich ihn bitten soll. Durch Sie weiß ich es wieder.«
»Ich sorge dafür, daß Sie die Bücher bekommen«, versprach Ka-te. »Wir bleiben in Kontakt. Falls ich keine Besuchserlaubnis mehr bekomme, lasse ich Ihnen durch das Projekt Botschaften zukommen oder schicke Ihnen Briefe mit der regulären Post. Ich denke, das ist erlaubt. Und Sie schreiben mir, wenn Ihnen danach ist?«
»Vielleicht. Danke, daß Sie gekommen sind. Ich glaube, ich habe nach Ihnen gefragt, weil ich mir sicher war, Sie würden nicht kommen. Aber ich bin froh, daß Sie gekommen sind. Ja, das bin ich. Sie hören von mir, wie ich mich entschieden habe.«
Auf der Rückfahrt sprachen sie nicht viel. Bobby heftete die Augen auf die Straße und den inzwischen noch dichteren Verkehr. »Ich glaube, sie wird sich darum bemühen, daß ihr Fall wieder aufgerollt wird«, sagte Kate, als sie fast daheim waren. »Ich hoffe es jedenfalls sehr. Es wäre bestimmt gut, wenn Sie gleich ihren Namen auf die 113
Liste setzen und sie aufsuchen, sobald Sie den Segen der Verwaltung haben.«
»Wir versuchen es.«
Wieder herrschte Stille im Wagen, in die sich nur die Schalt- und Bremsgeräusche mischten. Kate lehnte sich gegen die Nackenstütze und ließ, wie es ihre Gewohnheit war, den Tag noch einmal vor sich ablaufen, wie eine Filmrolle, die sie anhalten konnte, wenn etwas sie stutzig machte.
»Wie kam sie überhaupt auf mich?« fragte sie plötzlich, genau in dem Moment, als Bobby zu einem besonders heiklen Spurwechsel-manöver ansetzte. »Woher wußte sie, daß Sie mich kennen?«
»Sie hörte Reeds Namen«, erwiderte Bobby, als das Manöver schließlich gelungen war. »Wahrscheinlich von irgendeiner Mitge-fangenen; vielleicht sah sie Reed auch zufällig im Gefängnis und fragte, wer er sei. Und als sie seinen Namen hörte, folgte Ihrer natürlich wie die Nacht dem Tag.«
»Wieso eigentlich?«
»Weil sie sich, wie ich annehme, als Studentin so für Sie interessierte, daß sie so viel wie möglich über Sie in Erfahrung brachte.
Studenten interessieren sich oft dafür, wie ihre Professoren leben, wissen Sie. Und herauszufinden, daß Sie verheiratet sind und mit wem, erforderte kaum detektivisches Talent. «
» Reed ist offenbar heute der Schlüssel zu allen Gesprächen. Ich meine, zwischen Ihnen und mir. Ich wünsche Ihnen, daß alles gut für Sie wird. Das wünsche ich wirklich.«
»Aber manchmal«, brummte
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