Spitfire: Kühler Tod
Justin?«, frage ich und erkenne meine eigene Stimme nicht wieder.
»Er hat sich in der Dusche erhängt. Autoerotischer Erstickungstod«, erklärt Herpes. Den Gerüchten nach ist er ein Polizeispitzel. Aber wer Herpes kennt, weiß, dass er diese Gerüchte vermutlich selbst in die Welt gesetzt hat.
Das alles ergibt keinen Sinn. Ich muss Justin anrufen. Ohne einen Gedanken an meine Wäsche renne ich nach Hause. Dort angekommen nehme ich drei Stufen auf einmal und stürzte durch die Wohnungstür zu meinem Handy. Dann tippe ich den PIN-Code ein. Ein Dutzend Nachrichtenmeldungen erscheint.
Die dritte stammt von einem Detective des San Francisco Police Departements. Ich reiße meine Tasche hoch und ziehe die Karte heraus, die ich in meinem Briefkasten gefunden habe. Dann drücke ich die Wiederholungstaste und höre: »Hier spricht Detective Vincent Dalton vom San Francisco Police Departement. Ich muss so schnell wie möglich mit Ihnen sprechen«, gefolgt von einer Telefonnummer.
Ich rufe zurück und lande bei einem Anrufbeantworter. »Ähm, hallo. Hier spricht Tomi Reyes, ich melde mich wegen Ihres Anrufs.« Meine Hände zittern. »Ich habe gerade erst gehört, was mitJustin Thyme geschehen ist. Bitte rufen Sie mich sofort zurück, wenn Sie diese Nachricht hören.«
KAPITEL 8
Mittwoch, 20. Juli
Justin und ich waren eigentlich nie im traditionellen Sinn zusammen. Wir haben beide ein echtes Problem mit Bindungen und ironischerweise ist genau das der Grund, warum wir so gut miteinander auskommen. Hin und wieder gehen wir ein Stück gemeinsam, ohne dass es jemals verletzte Gefühle gegeben hätte, wenn einer von uns beiden gerade mal anderweitig vergeben war.
Ja. Ich rede in der Gegenwartsform von Justin und das werde ich auch weiterhin tun, solange ich keinen Beweis dafür habe, dass Justin wirklich tot ist.
Vor ein paar Jahren haben wir uns in der
Gehirnwäsche
getroffen. Waschsalons sind eine echte Alternative zu Bars, wenn man Mädchen aufreißen will. Wenn Frauen in Kleiderstapeln wühlen, lässt ihre Wachsamkeit nach und sie werden aufgeschlossener. Jedenfalls die meisten.
Unter dem Vorwand, ein armer, hilfloser Mann zu sein, lieh sich Justin Kleingeld für die Maschine von mir – das er mir bis heute nicht zurückgegeben hat. Dann löcherte er mich mit diversen saublöden Waschfragen, wie: »Soll ich warmes oder kaltes Wasser einstellen?«, »Wie bekomme ich diesen Fleck am besten raus?«, »Weichspüler ist doch glatter Betrug, oder?«
Ich wollte eigentlich meine Kleider waschen, nicht bei einer Quizshow mitmachen. Ich hob den Kopf und sah direkt in seine rauchgrauen Augen. Er ist über eins achtzig groß und so muskulös, wie es nur Typen mit hoffnungslos übersteigertem Selbstwertgefühl fertigkriegen. »Zieh Leine«, fauchte ich.
Für Justin gehörte das alles zum Vorspiel und schon war die Jagd eröffnet. Plötzlich lief ich ihm überall über den Weg: beim Kaffeeholen, im Supermarkt, in der Bücherei. Nachdem ich Justin ein Jahr lang einen Korb nach dem anderen verpasst hatte, ging ich schließlich mit ihm ins Bett, nur um ihn endlich loszuwerden. Doch zu diesem Zeitpunkt waren wir schon echte Freunde geworden. Ich schätze mal, wir sind so was wie Sexfreunde, nur dass ich schon seit ein, zwei Jahren keinen Sex mehr mit diesem Freund hatte.
Nach einer schlaflosen Nacht versuche ich Justin auf dem Handy anzurufen. »Ja?«, höre ich.
Wenn Herpes mir das nächste Mal über den Weg läuft, werde ich ihm kräftig in seinen verlogenen Arsch treten. »Oh, Justin. Gott sei Dank geht es dir gut«, keuche ich und atme wohl zum ersten Mal seit gestern aus.
»Ist dort Tomasita Reyes? Hier spricht Detective Dalton von …« Der Hörer fällt mir aus der Hand und die Zeit scheint stillzustehen, als ich es endlich begreife. Justin ist tot.
Der Detective redet noch immer, als ich den Hörer wieder an mein Ohr hebe. » … ein paar Fragen. Können Sie heute vorbeikommen?«
Ich nicke, obwohl ich weiß, dass er mich nicht sehen kann. »Ich komme in meiner Mittagspause«, sage ich und lege auf.
Um kurz nach eins betrete ich das Polizeirevier. Der Sergeant hinter dem kugelsicheren Glas weist mich an, mich hinzusetzen. Abgesehenvon dem Stuhl, auf dem ich sitze, und dem Boden unter meinen Füßen scheint nichts auf der Welt real zu sein. Ich starre auf meine Schuhe, als ich meinen Namen höre.
»Ms Reyes … entschuldigen Sie, dass Sie warten mussten. Ich bin Detective Vincent Dalton und dies ist Detective
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