Spitfire: Kühler Tod
Harrison, meine Partnerin«, erklärt er. »Wir haben seit gestern versucht, Sie zu erreichen.«
Ich schüttle Hände. Auch wenn ich sicher unter Schock stehe, registriere ich doch, dass die beiden kein bisschen so aussehen wie die sexy Cops aus dem Fernsehen. Dalton wirkt eher wie ein Mathelehrer – der Farbe seines Anzugs und seiner Krawatte nach zu urteilen, ein farbenblinder Mathelehrer. Harrison ist eine große Afroamerikanerin und wirkt so teilnahmslos wie die Angestellten der Straßenverkehrsbehörde.
»Mein Handy war tot«, erkläre ich und bereue meine Wortwahl sofort.
Detective Dalton sieht sich im überfüllten Empfangszimmer der Polizeistation um. Ich werde mir meiner Umgebung zum ersten Mal bewusst und hätte um ein Haar gefragt, wo denn die ganzen Leute plötzlich hergekommen sind.
»Lassen Sie uns hier reingehen. Da ist es ruhiger«, sagt er und deutet mit einer Aktenmappe in einen Raum mit einem winzigen Fenster.
Das Zimmer ist klein und steril. Obwohl es stickig warm ist, lässt mich das bläuliche Licht der Neonlampen frösteln. Als ich den Stuhl vom Tisch abrücke, bemerke ich ein Taschentuch auf dem polierten Boden.
Ich male mir die heiße, zusammengeballte Faust aus, die dieses Taschentuch zu einem Ball zusammengeknüllt hat, und begreife, dass ich mich in einem Vernehmungszimmer befinde. Ich habe genug Krimis gesehen, um zu kapieren, dass mein Besuch hier nicht zu meinem Besten ist, und frage endlich: »Warum bin ich hier?«
»Wir haben nur ein paar Fragen. Es dauert nur ein paar Minuten«, entgegnet Detective Harrison.
Langsam nicke ich und mir ist sehr wohl bewusst, dass sie meine Frage nicht beantwortet hat.
»In welcher Beziehung standen Sie zu dem Verstorbenen?«, fragt Detective Dalton und kommt damit gleich zur Sache.
Und genau in diesem Moment erwache ich aus meiner Schockstarre und das Begreifen trifft mich wie eine kalte, harte Ohrfeige. Justin ist tot. Ich fühle einen trockenen Kloß in der Kehle bei den Worten »zu dem Verstorbenen«.
»Er ist … ein alter Freund.«
»Waren Sie ein Paar?«, fragt Dalton.
»Ja, und Freunde«, krächze ich. »Warum bin ich hier?«
Detective Harrison beugt sich vor. »Ms Reyes. Wir untersuchen den Mord an Justin und verfolgen nur einige Spuren.«
Ich verstehe nicht gleich. Ich schaue auf und sehe in ihre dunkelbraunen Augen. »Mord?« Ich begreife nicht einmal ansatzweise, was das heißt. Stattdessen klammere ich mich an das, was ich schon zu wissen glaube. »Durch autoerotischen Erstickungstod?«
Detective Dalton stößt ein bellendes Lachen aus. »Autoerotischer Erstickungstod? Wer hat Ihnen denn das erzählt?«
»Herpes«, antworte ich.
»Wer?«
»Herman, ich meine Herman. Er ist ein Freund von mir.« Das alles ist mir plötzlich vollkommen aus den Händen geglitten, ich rechne schon fast damit, dass sie mir Handschellen anlegen und mich davonschleifen.
»Das Opfer hat am Freitagmorgen um zwei Minuten nach zehn einen dreißig Sekunden dauernden Anruf an Sie getätigt. Können Sie sich an diesen Anruf erinnern?«, fährt Dalton mit einem Blick auf seine Notizen fort.
»Ja«, antworte ich. Die Luft wird dick und schal, als sich unser Atem mischt.
»Wo waren Sie, als Sie angerufen wurden?«
»Bei der Arbeit.«
»Kann das jemand bestätigen?«, fragt Harrison.
Ich nicke. »Mein Boss.«
»Worüber haben Sie und Justin gesprochen?«, möchte sie wissen und reicht mir ein Taschentuch.
Ich wische mir über die Augen und putze mir die Nase, während ich mir diesen merkwürdigen Anruf ins Gedächtnis rufe. »Es war eben einfach typisch Justin«, antworte ich und wedele mit der Hand, wie um die Frage zu verscheuchen.
»Wie meinen Sie das?«, hakt sie nach.
Ich erkläre ihnen, wie Justin in einer sehr stürmischen Situation wohl versehentlich auf den Wahlwiederholungsknopf gekommen sein muss. Ich bemerke den Blick, den sie sich zuwerfen.
»Haben Sie Stimmen erkannt? Irgendetwas Konkretes?«
Mir wird übel. »Da war nur Kleiderrascheln und Keuchen. Warum?«
»Wir haben Justins Handy überprüft«, erklärt Harrison. »Und der letzte Anruf darauf ging an Sie.«
»Der Gerichtsmediziner konnte die Zeit des Todes auf Freitag festlegen, aber eine genauere Bestimmung ist nicht möglich«, erklärt Dalton.
Ich schüttle den Kopf. »Wollen Sie damit sagen, dass …« Ich kann es nicht aussprechen. Meine Fäuste ballen sich, als in meinem Kopf die Erkenntnis explodiert. Ich muss den Mord an Justin gehört haben. Ich öffne die
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