Spitfire: Kühler Tod
hängt noch in der Luft und alles ist blitzblank.
Vorsichtig betrete ich die Küche. Der Kühlschrank ist entfernt worden. Die klaffende Lücke wirkt wie ein fehlender Zahn. Plötzlich wird mir schwindlig und mein Magen verkrampft sich.
Ich drehe mich um mich selbst und fühle Panik in mir aufsteigen. Was zum Teufel mache ich da eigentlich? Die Polizei war hier. Ich werde auf keinen Fall etwas finden, das ihnen entgangen ist.
Draußen erwacht ein Rasenmäher zum Leben. Ich erinnere mich daran, dass Herpes erzählt hat, der Zeuge sei ein Gärtner gewesen, und renne zur Tür. Die Nachmittagssonne blendet mich kurz und ich folge dem Geräusch zu einem dicklichen Mann, der den Rasenmäher vor sich herschiebt. Er stellt ihn ab.
Ich deute auf mich und sage: »Tomasita.« Dann deute ich auf ihn.
»Luis Manuel«, sagt er und lächelt vorsichtig.
»Sprechen Sie Englisch?«
Er schüttelt den Kopf. »¿Hablas español?«
Diesmal schüttle ich den Kopf.
Kurz stehen wir einfach nur da. Meine Gedanken rasen. Ich reiche ihm mein Handy, deute darauf und sage: »Ihre Telefonnumero.« Das müsste doch eigentlich fast richtig sein. Ich hoffe nur, dass er merkt, wie wichtig mir die Sache ist, und nicht misstrauisch wird. Er nickt und tippt seine Nummer ein. Ich höre es aus seiner Gesäßtasche klingeln.
Ein Mann, der eine grüne Abfalltonne hinter sich herzieht, kommt um die Ecke. Anders als Luis Manuel, der einfach wie ein frischgebackener Einwanderer wirkt, legt dieser Kerl ein unverkennbares Sträflingsgehabe an den Tag. Ich sehe eine Tätowierung an seinem Hals und muss an Piraten denken.
Als er mich erblickt, lächelt er. »Aber hallo«, sagt er provozierend. Es sieht ganz danach aus, dass Luis Manuel der Zeuge ist und ich diesen Kerl als Übersetzer brauche.
Ich lächle zurück. »Hi, ich heiße Tomasita. Ich würde euch beide gerne etwas fragen.«
»Nein, er ist verheiratet, und ja … ich bin Single«, erwidert der Tattoo-Typ.
Ich verbeiße mir die Antwort, die mir auf der Zunge liegt (»Wirklich? Dann gehe ich jetzt.«) und sage stattdessen: »Ha! Der war gut.«
»Ich bin Angel. Jetzt weißt du, was du später im Bett schreien musst«, gibt er zum Besten und spricht seinen Namen dabei wie
An-hell
aus. Hell – Hölle, ja, das passt. Ich unterdrücke den Impuls, mein Handy zu zücken und diesen Anmachspruch aufzunehmen.
Auf Angels Handrücken ist ein Full House, drei Asse und zwei Könige, tätowiert und mir drängt sich der Gedanke auf, warum sich ein Kerl, der sich Spielkarten auf die Hand nadeln lässt, nicht gleich einen Royal Flush ausgesucht hat.
»Nette Hand«, sage ich und deute darauf.
»Gefällt dir das?« Stolz dreht Angel die Hand herum. Auf seiner Handfläche ist das vierte Ass.
»Wow«, kommentiere ich, ehrlich beeindruckt. Man muss schon ein echt harter Brocken sein, um sich so was stechen zu lassen.
Neugierig, was wohl seine andere Hand schmückt, mustere ich auch diese. Neben seinem linken Daumen sind vier kleine Kreise in Form eines Vierecks angeordnet. Unter Kriminellen ist das ein Zeichen für einen Mörder. Ich muss gegen den Drang ankämpfen, ein paar Schritte zurückzuweichen.
Ich muss meine Fragen so formulieren, dass es wirkt, als wüsste ich schon alles, was sie wissen. Der Schatten eines Flugzeugs gleitet über uns hinweg. »Mein Freund wurde hier ermordet«, sage ich. »Wer von euch beiden hat den Mann gesehen, der an seine Tür geklopft hat?«
»Der tote Gringo war ein Freund von dir?«, hakt Angel nach.
»Ja.«
»Ein guter Freund?« Ich muss wohl verwirrt ausgesehen haben, denn Angel erklärt: »Wie viel ist dir die Info wert?«
Ich fische meinen Geldbeutel aus meiner Tasche, ziehe all mein Geld heraus und fächere es auf, damit es nach mehr aussieht. Es sind acht Dollar.
»Also kein besonders guter Freund?«, gibt Angel unbeeindruckt zurück.
»Ach, komm schon!«, murre ich und meine Furcht verwandelt sich in Genervtheit.
Angel und Luis sprechen kurz auf Spanisch miteinander, dann pflückt Angel das Geld aus meiner Hand und sagt: »Er hat einen Mann im Anzug gesehen.«
»Einen Mann im Anzug?«, frage ich nach.
Angel reicht Luis Manuel drei Dollar und steckt die übrigen fünf selbst ein! »Was hast du noch so anzubieten?«, fragt er und sein Blick wandert über meine Kurven.
Ich klaube einen zusammengefalteten Zwanzig-Dollar-Schein aus dem Futter meiner Tasche. Das ist mein absolutes Notfallgeld, falls ich mal ein Taxi rufen muss oder, wie’s aussieht, einen
Weitere Kostenlose Bücher