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Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernwald Schneider
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und nachtschwarzen Banner, auf das flackernde Licht, das sich in den derben und zu allem entschlossenen Gesichtern der Fackelträger widerspiegelte, und ich fragte mich, ob nun nicht auch ihn, wie sicher manch anderen unter den Schaulustigen, allmählich ein mulmiges Gefühl beschlich.
    Veronikas Augen aber leuchteten. »Sehen Sie!«, raunte sie mir zu. »Unsere Zeit ist gekommen, die Zeit der neuen Menschen! Viele dieser Leute sind natürlich Dummköpfe. Und ich kann verstehen, dass manche Angst vor Herrn Hitler haben. Man muss doch das Wesentliche sehen, das Besondere, das Eigentliche, das vorerst noch den Wenigen vorbehalten ist.« Ihre Lippen kamen direkt an mein Ohr. »Zögern Sie nicht länger, Eugen; kommen Sie zu uns! Verspielen Sie nicht Ihr Glück!«
    »Ach, Veronika«, flüsterte ich. »Lassen Sie uns den neuen Menschen für ein paar süße Stunden vergessen. Ich habe Sie unheimlich gern, und zwar nur deshalb, weil Sie die verführerische, kleine Veronika sind – aus überhaupt keinem anderen Grund. Kommen Sie, wir wollen in meine Wohnung gehen!«
    »Oh, Eugen«, lächelte sie zart und drückte fest und warm meine Hand. »Ja, das wollen wir, auch mir ist danach. Nur noch ein Weilchen möchte ich zusehen, dann brechen wir auf!«
    Hätte ich sie nur gleich mit mir fortgezogen – sie hätte es sich gewiss gefallen lassen! So aber standen wir ein paar Minuten an der Straße und sahen dem lärmenden Treiben zu, den Gunstbezeugungen, die der düstere Mann hinter dem Fenster, auf den sich die Scheinwerfer gerichtet hatten, mit Dankesgesten entgegennahm. Auch wenn es nur Minuten waren, die auf diese Weise vergingen: Wir blieben zu lange, denn auf einmal war es, als streifte uns der Schatten des düsteren Mannes, als greife er nach uns, um sich unseres Schicksals zu bemächtigen.
    Eine Gestalt aus dem weitläufigen Dunstkreis seiner Anhänger tauchte überraschend neben uns auf: Es war Theodor Hartmann, mein Anwaltskollege. Dieser Mann, der auch meiner schönen Begleiterin kein Unbekannter war, stand zu meinem ahnungsvollen Erschrecken plötzlich an ihrer Seite.
    »Veronika!«, sprach er sie augenblicklich an. »Ich hatte es mir fast gedacht, Sie hier zu finden; die meisten unserer Freunde sind heute hierher gekommen.« Er warf mir einen auftrumpfenden Blick zu. »Schön, dass Sie gleichfalls die Gelegenheit genutzt haben, Herr Kollege. Ich denke, dass Sie angesichts des heutigen Ereignisses auch bald an unseren Versammlungen werden teilnehmen wollen?«
    Er drängte sich dichter an Veronika, als ob er ihr etwas zuflüstern wollte, und schien dann einen Augenblick zu stutzen, wahrscheinlich, weil er bemerkte, dass ich ihre Hand fest in der meinen hielt. Offenbar gefiel ihm das nicht.
    »Sie müssen sofort mit mir gehen, Veronika!«, hörte ich ihn sagen. »Herr Santor lässt schon seit ein paar Stunden nach Ihnen suchen. Das freudige Ereignis macht eine außerordentliche Versammlung unserer Gruppe notwendig, die noch heute Abend stattfinden soll. Kommen Sie, wir müssen sofort aufbrechen!«
    »Moment mal, Herr Kollege«, schaltete ich mich ein. »Heute Abend hat Veronika keine Zeit. Sie müssen dieses eine Mal ohne sie auskommen.«
    Veronika warf mir einen schnellen Blick zu, als wollte sie mir bedeuten, ich täte besser daran zu schweigen. Daraufhin erinnerte ich mich wieder an das Versprechen, das ich ihr gegeben hatte.
    »Nein, Herr Kollege«, sagte Hartmann bestimmt. »Sie irren sich! Wir wollen nicht ohne sie auskommen! Veronika wird mit mir gehen.«
    »Das entscheiden nicht Sie!« Ich starrte meinem Gegenüber wütend ins Gesicht, aber er nahm meine Wut mit einem höhnischen Lächeln entgegen.
    Nie zuvor in meinem Leben hatte ich jemanden so zum Teufel gewünscht wie in diesem Moment meinen Berufsgenossen, was dazu führte, dass ich mich gewaltig zusammenreißen musste, um nicht zu tun, was ich am liebsten getan hätte: dem Kerl ins Gesicht zu schlagen und ihn auf der Stelle davonzujagen. Stattdessen suchte ich verzweifelt nach einer Redewendung, um das, was sich ankündigte, zu verhindern, ohne etwas Unüberlegtes zu sagen, das Veronika schaden könnte. Doch ich fand die passende Formulierung nicht.
    Veronikas Miene drückte weder Ärger noch irgendein anderes Gefühl aus, allenfalls so etwas wie eine grenzenlose Gleichgültigkeit, die man bei genauerem Hinsehen auch für den Ausdruck von Verachtung hätte halten können. Schließlich ließ sie Hartmann aus den Augen, und indem sie mich anblickte, weitete

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