Spittelmarkt
diesem Zimmer.«
Mir war jede Lüge recht, die verhindern mochte, dass Shannon sein wahnwitziges Vorhaben ausführte.
Shannon starrte mich stumm an. Er atmete tief durch und richtete den Blick auf den Boden. Ich sah den Schatten eines Zweifels durch seine Züge huschen.
»Mr. Goltz! Überlegen Sie sich gut, was Sie sagen! Seit wann genau ist sie hier?«
»Ich kann es nicht auf die Minute genau sagen, aber es muss gegen zwei Uhr gewesen sein, als sie kam. Ja, so war es, ungefähr seit zwei Uhr!«
»Sie haben gemeinsam mit ihr die Feier verlassen?«
Gerade rechtzeitig begriff ich, dass es gefährlich war, in diesem Punkt die Unwahrheit zu sagen. »Nein, das nicht«, gab ich zu. »Irene kam später, ich bin etwas früher fort. Es ging mir …«
»Es ging Ihnen was?«
»Ich hatte zu viel getrunken, wollte ich sagen, und ich musste ins Hotel. Irene sagte, sie käme nach. Ich war keine halbe Stunde hier, da kam sie auch schon.«
Shannon musterte mich eine Weile stumm mit flackernden Augen und richtete den Blick in der nächsten Sekunde hinauf zu Irene.
»Was sagst du denn dazu, Täubchen? Willst du behaupten, dass du mit Florence nicht in ihrer Wohnung warst?«
»Ich war mit ihr zusammen, aber ich habe sie nicht umgebracht«, gab Irene leise zurück.
»Und was habt ihr beide dort gemacht? Weshalb bist du mit ihr in ihre Wohnung gegangen?«
Irene antwortete nicht.
»Antworte schnell!«, rief Shannon ihr zu. »Wenn ich den Eindruck gewinne, dass du dir etwas ausdenkst, so bedarf es nur eines kleinen Rucks –«, er wackelte an der Stuhllehne, sodass Irene einen Ausfallschritt machen musste, damit sie nicht aus dem Gleichgewicht geriet, »und dann wirst du nicht mehr antworten können!«
»Mein Gott, Shannon! So lassen Sie das doch!«, rief ich ihm zu. »Sie bringen sie ja um!«
Shannon lächelte böse. »Sehen Sie nicht, wie straff gespannt der Strick ist? So schnell stirbt es sich daran nicht. Passen Sie auf, wenn ich den Stuhl wegnehme, zappelt sie wie ein Hühnchen, aber die ist zäh. Es blieben sicherlich ein, zwei Minuten, um sie ins Leben zurückzuholen – sollte ich es mir denn wirklich anders überlegen, was ich nicht glaube. Also, mein Täubchen: Wie lautet deine Antwort?«
»Sie sind ein solcher Narr!«, sagte Irene mit einem Zischen. »Ich habe Florence gern gemocht, ich habe sie nicht getötet! Und weil sie mich auch gemocht hat, sind wir in ihre Wohnung gegangen und hatten miteinander Sex! Das war der einzige Grund, weshalb wir zusammen waren!« Ihre Stimme wurde lauter. »Ja – und es war wundervoll!«
Shannon schwieg, als dächte er nach. Jedenfalls war es die richtige Antwort, die er erhalten hatte, eine, die er gewiss für glaubwürdig hielt.
»Ach, und warum sollte sie sich in diesem Fall selbst umgebracht haben?«
»Vielleicht gerade deshalb!«, schlussfolgerte Irene.
»So ein Quatsch!«, zischte er. »Sag mir lieber schnell, wie es weiterging! Was hast du danach gemacht?«
»Ich habe mich von Florence verabschiedet und bin hierher gekommen.«
»Und warum so eilig?« Er erfasste ihren glatten Unterarm und zog sie ein Stück zu sich, sodass sich die Schlinge um ihren Hals enger schnürte. »Hattest du noch nicht genug?«
»Nein!«, fauchte sie ihn krächzend an. »Ich hatte noch nicht genug! Ich könnte es noch stundenlang tun!«
»Sexteufel! Miststück!«, zischte Shannon zurück und ließ sie wieder los. »Du bist zwar schön wie kaum eine zweite, aber du bist auch genauso verdorben! Frauen wie dich sollte es besser überhaupt nicht geben. Sie bringen die Menschen um den Verstand und richten Unheil an. Ich habe direkt Verständnis für die Kirche, dass sie Frauen wie dich auf den Scheiterhaufen schleppte. Was sollte sie auch sonst mit Weibern wie dir tun.«
Er schimpfte eine Weile in dieser Art weiter, wobei ich mich hütete, ihn bei seinen Tiraden zu unterbrechen. Für Irenes Schicksal war es besser, wenn er seinem Zorn eine Zeit lang freien Lauf lassen konnte und auch seiner Enttäuschung darüber, dass er den Sexteufel, den er in ihr sah, nicht in sein Bett bekommen hatte.
Endlich schwieg er und blickte missmutig vor sich hin, schließlich sah er wieder zu mir her.
»Ich will für Sie hoffen, dass Sie die Wahrheit gesagt haben, Mr. Goltz!« Sein Blick wanderte weiter zu seinem Begleiter. »Nimm ihr die Schlinge ab!«
Unhörbar, aber erleichtert atmete ich auf. Kurz darauf stieg Irene von dem Stuhl und trat sofort zum Bett, wo ihr Kleidchen lag. Sie zog es über,
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