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Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernwald Schneider
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seiner Versklavung befreien soll – einer Versklavung, die großen Teilen des Volks nicht einmal bewusst ist, obgleich sie allgegenwärtig ist. Wir kämpfen für die Identität eines deutschen Menschen, für seine Freiheit und gegen seine Entfremdung.«
    »Haben Sie sich nicht etwas zu viel vorgenommen? Es ist ein gewaltiges Unterfangen, ein Volk aus seiner Entfremdung zu erlösen.«
    »Zunächst sind nur einige Wenige auserwählt. Es ist ein Werk von Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten. Einige gehen voran, andere werden folgen.«
    »Und was ist mit denen, die nicht folgen wollen?«
    »Ein großer und überzeugender Mythos bringt Gewaltiges zustande. Diejenigen, die nicht mitmachen wollen, wird man zu ihrem Glück zwingen müssen; und äußerstenfalls muss man sie vernichten, damit sie die Entwicklung der anderen nicht behindern. Auf ein paar Narren trifft man ja leider überall!«
    »Vernichten?«
    Haller drückte wieder an dem Stummel seiner Zigarre im Aschenbecher herum, obwohl dieser überhaupt nicht mehr glomm.
    »Halten Sie sich nicht an irgendwelchen Ausdrücken fest, Goltz. Es geht bei unserer Sache um etwas Großartiges. Sie werden es erst richtig begreifen können, nachdem Sie zu uns gestoßen sind.« Er seufzte. »Ich bin ein alter Mann, Goltz; noch ein paar Jahre, und ich werde abtreten. Sie werden mein Nachfolger sein – und das nicht nur hier in der Kanzlei, sondern auch an anderer Stelle, sofern Sie es denn wollen. Und Sie sollten diesen Wunsch unbedingt fassen!«
    »Unbedingt?«
    Statt einer Antwort blickte er zur Uhr und erhob sich aus seinem Sessel. »Für heute habe ich genug gesagt. Es war gut und richtig, dass diese Dinge einmal zur Sprache gekommen sind. Ich hoffe, dass zwischen uns nun wieder alles in Ordnung ist. Sie sind mein Partner, Goltz. Und ich wünsche mir, dass es so bleibt!«
    Er kam um den Schreibtisch herum und reichte mir die Hand, nachdem ich mich gleichfalls erhoben hatte. »Machen Sie Feierabend für heute und denken Sie in Ruhe über alles nach, was ich Ihnen in Bezug auf die Ziele unserer Gemeinschaft gesagt habe! Sie werden gewiss bald erkennen, dass es die richtigen sind.«

11
    Eine steinerne Brücke mit alten steinernen Herkulesgestalten führte über dunkles, kaltes Wasser in den Tiergarten hinüber, in jenes vornehme Viertel, wo die Villen der Hochfinanz und des Militäradels in stillen Vorgärten standen.
    Eine der Villen war ein klotziges und mit seinen zwei Stockwerken aus poliertem Naturstein flach wirkendes Gebäude, deren untere Fenster ein steinernes Maßwerk besaßen, während die oberen nach französischer Art mit Metallgittern verziert waren. Ein halbes Dutzend flacher Stufen führte zur Eingangstür, über die sich das Vordach auf zwei Steinsäulen stützte. Darunter funkelte im Licht der Eingangsbeleuchtung ein Bronzefries, das mit einem Gewirr arabischer Schriftzeichen versehen war. Die Villa war einmal das Zuhause von Florence Arnheim gewesen, inzwischen bewohnte ihr verwitweter Ehemann allein den prächtigen Bau.
    Am Nachmittag hatte ich einen Anruf von Arnheim erhalten, der mich fragte, ob ich nicht die Möglichkeit hätte, ihn in seinem Heim zu besuchen, denn dort ließe sich entspannter miteinander plaudern als in der Kanzlei. In der Hoffnung, dass ein Gedankenaustausch in privater Umgebung tatsächlich eine größere Chance bot, aufschlussreiche Informationen an den Tag zu befördern, als in dem vergleichsweise trockenen Ambiente des Büros, hatte ich nach anfänglichem Zögern Arnheims Vorschlag zugestimmt.
    Ein Dienstmädchen öffnete die Tür und nahm mir Hut und Mantel ab. Die junge Frau trug ein weißes Häubchen und eine weiße Schürze und hatte ein zartes, überraschend schönes Gesicht, das einen gewissen Charme ausstrahlte.
    »Folgen Sie dem Licht«, flüsterte sie geheimnisvoll und wies in Richtung der sich nach innen erstreckenden Räume. Dann drehte sie sich um und verschwand um eine im Halbdunkel gelegene Ecke.
    Die Wohnung war nur stellenweise erleuchtet. Jedes Zimmer, jeder Korridor und jede Treppe wies Inseln von Licht auf, und man bewegte sich durch die Räume wie durch ein Schattenreich, von einem Lichtfleck zum andern. Erst im dritten oder vierten Raum, in den ich gelangte, verdunkelte der Schatten einer Gestalt das geheimnisvolle Lichtermeer.
    Philipp Arnheim stand vor einem Sessel, aus dem er sich eben erhoben hatte. Er trug einen Hausmantel, ein seidenbesticktes Gewand, das ihn noch größer und schlanker wirken ließ, als

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