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Spittelmarkt

Spittelmarkt

Titel: Spittelmarkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernwald Schneider
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Berlin. Ihr Name ist Irene Varo? Kennen Sie sie?«
    Falls die Frage Arnheim überraschte, ließ er sich nichts anmerken.
    »Nein, bedauerlicherweise nicht«, antwortete er. »Wo finde ich dieses schöne Menschenkind? Sagen Sie nicht, ich müsse bis nach Amerika fahren, um sie zu sehen!«
    »Sie könnten ihr auch hier in Berlin begegnen. Sollte das geschehen, richten Sie ihr bitte Grüße von mir aus und erinnern Sie sie daran, dass wir noch eine Verabredung miteinander haben.«
    »Herr Goltz, Herr Goltz!«, lächelte er. »Die Frauen! Aber ja, falls ich ihr begegne, werde ich Ihre Grüße an sie nicht vergessen. Ich sehe, Ihr Glas ist leer. Möchten Sie einen zweiten Kognak?«
    Er schenkte nach.
    »Sie sagten, Behrend sei der erste Pharao der Gesellschaft gewesen – er hat demnach einen Nachfolger?«
    »Selbstverständlich!«
    »Sie?«
    Er lachte. »Mein Gott, nein – wie kommen Sie darauf?«
    »So wie Sie reden, hört es sich beinahe an, als hätten Sie in dieser Gesellschaft etwas zu sagen.«
    »Ich – der Pharao!«, er schüttelte den Kopf, noch immer mit einem Lächeln, als wäre der Gedanke komplett unsinnig oder bizarr. »Ach nein, Herr Goltz, ich nun wirklich nicht!«
    »Wer ist es dann? Sagen Sie es mir!«
    »Den Pharao kennen nur wenige. Und da ich Ihnen, der außerhalb unserer Gemeinschaft steht, eine Antwort ohnehin nicht geben dürfte, kann auch offen bleiben, ob ich Ihnen eine Antwort überhaupt geben könnte.«
    Lächelnd erhob er sich aus seinem Sessel und trat zu einem Bücherregal. Er nahm eines der Bücher aus der Reihe und reichte es mir. Es war ein schmaler Band.
    »Es ist ein Roman aus dem Jahre 1871«, erklärte er. »Der bekannte englische Autor Bulwer-Lytton hat ihn verfasst. Die Geschichte, die Sie darin finden, wird Ihnen ein paar der Fragen, die wir eben angeschnitten haben, beantworten. Geben Sie mir das Buch gelegentlich zurück. Viel Spaß bei der Lektüre. So, nun wollen wir dieses Thema verlassen. Erzählen Sie mir von der Überfahrt nach Amerika, meine letzte Reise in die Staaten liegt schon eine Reihe von Jahren zurück. Wie fährt es sich auf der ›Bremen‹? Ist das Schiff wirklich so schnell und komfortabel, wie der Norddeutsche Lloyd in seiner Werbung verspricht?«
    Bei zwei weiteren Gläschen verging eine Stunde, in der wir über Schiffe sprachen, dann kam die Zeit zum Aufbruch für mich, und sowie Arnheim mich an der Zimmertür verabschiedete, sagte er noch zu mir: »Wir werden uns wieder bei Ihnen melden, Herr Goltz. Treffen Sie Ihre Entscheidung und lassen Sie sich nicht allzu lange Zeit dafür.«
    Kurz darauf hielt mir die schöne Veronika meinen Mantel hin.
    »Haben Sie die verstorbene Frau Arnheim gekannt?«, fragte ich sie, nachdem Arnheim wieder nach hinten gegangen war.
    »Leider nein«, gab sie zurück. »Ich bin erst seit wenigen Wochen hier im Haus.«
    Ein süßes Versprechen lag in ihren Augen, als sie mir die Hand reichte; eine vertrauliche Geste, die für eine Haushaltshilfe mehr als ungewöhnlich war.

    Das Buch, dessen Lektüre mir Arnheim so wärmstens anempfohlen hatte, trug den englischen Titel ›The Coming Race‹, lag mir jedoch in der deutschen Übersetzung vor. Es schien ein schon älterer Privatdruck zu sein, denn der Einband wies keine Prägung auf. Es war die Geschichte eines jungen Mannes, der bei der Führung durch ein Bergwerk von einer Legende hört, nach der einer der Bergwerkstunnel in eine mysteriöse unterirdische Welt führt. Mehrere Wochen verbringt er damit, heimlich die Bergwerke zu erforschen, bis er eines Tages unerwartet diesen Tunnel entdeckt. Ein seltsames grünes Licht ermöglicht es ihm, in eine riesige Höhle vorzudringen. Ein geheimer Kosmos, in dessen Architektur sich asiatische und ägyptische Stilrichtungen vermischen, liegt vor ihm. Dort trifft er einen Mann und dessen faszinierend schöne Tochter, beide Angehörige der merkwürdigen Rasse der Vril-ya, die einstmals unter der Erde hatte Zuflucht suchen müssen, als die Natur mächtig in Aufruhr geriet und dabei ganze Kontinente untergehen ließ. In der Zwischenzeit hatten die Vril-ya nicht nur ihre Zivilisation wiederhergestellt, sondern auch die Mächte zu beherrschen gelernt, die es dem alldurchdringenden Fluidum des Vril verdankte. Durch regelmäßige Bäder darin luden sie ihre Körper auf, besiegten Krankheiten und erreichten ein hohes Alter. Außerdem entwickelten sie fantastische Fluggeräte, mit deren Hilfe sie sich in kurzer Zeit über weiteste Entfernungen hinweg

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