Splitter im Auge - Kriminalroman
ihre Wärme, den Druck ihrer schweren Brüste, ihren Atem an seinem Ohr.
Sie lagen in ihrem Bett, das sie auch sonst zum Schlafen benutzte. Für ihre anderen Kunden hatte sie noch ein Zimmer mit roten Tapeten, Lampen, die man dimmen konnte, und erotischen Bildern an den Wänden.
Irgendwann war sie mit Steiger in dieses Zimmer gegangen, das war jetzt ein paar Monate her. Er hatte nie gefragt, warum, und sie hatte es nie gesagt. Vielleicht hing es damit zusammen, überlegte er, dass sie schon seit geraumer Zeit nicht mehr miteinander schliefen, was anfangs noch der Fall gewesen war. Geredet hatten sie immer schon viel, aber am Anfang auch immer noch eine Nummer gemacht, zwischendurch. Irgendwann hatten sie über dem Reden einfach den Sex vergessen. Gezahlt hatte er trotzdem immer.
Heute war fast den ganzen Abend sein Vater Thema gewesen, er hatte viel erzählt, und dabei waren ihm Dinge eingefallen, an die er lange nicht gedacht hatte.
»Willst du heute Nacht hierbleiben?«, fragte Eva. Der Regen schlug ans Fenster.
Steiger musste einen Moment überlegen. Das hatte sie ihn noch nie gefragt. Neben der Wärme und Nähe fühlte er auch eine kleine, kratzige Stelle in sich, die er sich nicht erklären konnte und von der eine Unruhe ausging.
»Ist das denn im Preis mit drin?«, fragte er.
»Das ist schon okay«, sagte sie und musste lachen. »Du hast ja eine Leistung des Angebots nicht in Anspruch genommen. Sieh es mal als Ausgleich.«
Er hatte das Gefühl, sie tat das für sich, aber es hatte auch mit ihm zu tun. Sie überschritt damit eine Grenze, hatte sie eigentlich schon überschritten, als sie mit ihm das Zimmer wechselte. Vielleicht war das der Grund für das Kratzen.
»Darf ich dir noch eine Frage stellen?«, sagte sie, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten.
»Klar«, sagte er, schon fast im Halbschlaf.
»Gibt es einen Moment, an den du dich erinnerst, der schön war mit ihm?«
Das ist doch eine verdammte Batto-Frage, dachte Steiger, aber er überlegte. Er überlegte so lange, dass er darüber einschlief.
26
Als Steiger Evas Wohnung verlassen hatte, war es schon hell gewesen. Sechs Stunden ununterbrochener Schlaf waren mehr, als das meistens zu Hause der Fall war. Eva hatte noch geschlafen, und die kleine, kratzige Stelle in ihm hatte er auch am Morgen noch gefühlt. So sehr er sich gestern Abend gewünscht hatte, dass kein Kunde da sein und Eva Zeit für ihn haben würde, so froh war er gewesen, als er eben gegangen war. Es gab manchmal Momente, da gelang es ihm nicht, beim Atmen seine Lungen völlig mit Luft zu füllen, so als wenn sich ein Ventil nicht öffnete, als wenn etwas klemmte. Erst nach mehreren Versuchen schaffte er es dann, seine Lungen bis zum Anschlag aufzupumpen und langsam auszuatmen; er schob es auf die verdammten Zigarillos. Aber das Gefühl des berstend gefüllten Brustkorbs, der sich langsam entspannte, war unvergleichlich. So ähnlich war es gewesen, als er eben ging.
Er war zum Hauptbahnhof gefahren, der wahrscheinlich der einzige Ort in der Stadt war, an dem es um diese Zeit am Sonntag einen Kaffee zu kaufen gab.
Jetzt war er auf der Rheinischen Straße Richtung Heimat unterwegs.
Dr. Brosig hatte die Testamentseröffnung auf den kommenden Freitag gelegt. Das würde also der Tag sein, an dem er das Produkt der Liebe seines Vaters zu einer Frau, deren Name Mara gewesen war, treffen würde. Seinen Bruder. Mein Bruder, sagte er sich innerlich vor, und es klang fremd für ihn. Er hatte keine Vorstellung davon, wie dieses Treffen vor sich gehen sollte, was mit ihm dabei passieren würde. Vorher treffen wollte er den Mann nicht, hielt es aber für eine gute Idee, sich den Menschen einfach mal anzusehen. Der Sonntag schien dafür ein günstiger Tag zu sein. Artur Stojkovic wohnte in Dortmund-Huckarde, nicht unbedingt in der besten Wohngegend, da konnte ein Blick von außen nicht schaden, und vielleicht hatte er ja Glück und erwischte ihn mal vor der Tür.
Beim Eingang zum U-Bahnhof Unionstraße trieben sich schon einige Leute herum, die er für Dealer hielt, dazwischen ein paar Kirchgänger. Er fragte sich, wem man um diese Zeit an einem Sonntagmorgen schon Drogen verkaufen konnte. Sein Haschisch ging langsam zur Neige, fiel ihm dabei ein, aber er ging lieber auf Nummer sicher und ließ sich das Zeug von Toni Sawitzki besorgen. Sie machte das seit Jahren für ihn und hatte eine sichere Quelle.
Er bog in die Unionstraße ein und sah aus den Augenwinkeln zwei Männer auf der
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