Splitter im Auge - Kriminalroman
vereinbar, aber er war den Weg jetzt bis an diesen Punkt gegangen, da war es nur logisch, diesen Schritt auch noch zu tun.
An einer geschützten Stelle wollte er über den Zaun steigen, was schwieriger war als angenommen, weil man zwischen den eng gesetzten Stäben keinen Halt fand, außerdem störte ihn sein Mantel. Er ging zurück, steckte das Handy in die Hosentasche und legte den Mantel in den Kofferraum, weil seine Ausweispapiere darin waren. Manchmal ließen die Kampagnen für mehr Sicherheit beim Parken auch Polizisten nicht unbeeindruckt, dachte er.
Er ging zurück zu der Stelle, und auch ohne Mantel überstieg er den Zaun nur mit Mühe. Die Büsche standen relativ dicht, und schon nach wenigen Schritten konnte er die Straße hinter sich nicht mehr sehen. In diesem Gelände war es schwer zu schätzen, aber er nahm an, knapp hundert Meter gegangen zu sein, als er vor sich durch die Blätter das Haus sah.
Die Villa war größer, als er sie sich vorgestellt hatte. Ein lang gestrecktes, zweigeschossiges Gebäude mit einem Flachdach und reichlich Stuck. Steiger kannte sich mit so etwas nicht aus, aber es hatte Ähnlichkeit mit der Villa Hügel in Essen, zu der sie mal einen Schulausflug gemacht hatten. Es war nur etwas kleiner, konnte aber etwa zur selben Zeit entstanden sein, fand er. Rechts am Haus war ein Anbau, in dem die Garage zu sein schien, jedenfalls deutete das moderne, breite Tor darauf hin. Er blieb im Schutz der Zweige stehen, suchte das Haus nach irgendeinem Lebenszeichen ab, und dabei ihm fiel ein Buch ein, das er als Jugendlicher öfter gelesen hatte. Es hieß »Jack, die Bärenklaue«, und er sah das Cover vor sich. Reichlich idiotisch, dachte er und schüttelte den Kopf. Da stand er hier als Spanner in einem Gebüsch irgendwo in Holland, tat etwas Ungesetzliches und musste dabei an ein Jugendbuch denken. Aber vielleicht war genau das der Grund seiner Erinnerung, denn er hatte das Buch, das ein Weihnachtsgeschenk werden sollte, schon vor Weihnachten im Wäscheschrank gefunden und halb ausgelesen. Immer, wenn seine Eltern nicht da waren und er auf ihrem Bett saß und in dem Buch las, hatte er gefürchtet, sie könnten plötzlich zurückkommen und ihn erwischen.
Das Haus machte auf ihn einen leblosen Eindruck, als wenn es leer stehe. Wenn es dort eine Firma gab, konnte sie nicht viele Leute beschäftigen. Wo waren die Autos der Angestellten?, fragte er sich, denn ohne Fahrzeug war man in dieser Gegend ziemlich aufgeschmissen, also hätte es welche geben müssen. Keines der Fenster war geöffnet, und man sah nirgendwo eine Bewegung. Es sah aus, als wohne dort niemand.
Als zwanzig Minuten lang nicht die leiseste Bewegung zu sehen gewesen war, verließ er seine Deckung und ging Richtung Eingang, um möglicherweise ein Namensschild oder irgendetwas zu erkennen, womit er weiter ermitteln konnte. Wenn jetzt jemand käme, würde er was von »verlaufen« oder »Panne« erzählen, ihm würde schon etwas einfallen.
Es gab kein Schild, keinen Namen, nichts, woraus man hätte schließen können, wer hier wohnte oder arbeitete, das konnte Steiger schon auf halbem Wege zum Eingang erkennen, darum ging er nicht weiter. Am Garagentor suchte er erst gar nicht nach einem Hebel oder Schalter. Es machte einen sehr modernen Eindruck, und er war sich sicher, dass es nur elektronisch zu öffnen war. Er änderte seinen Weg und ging rechts am Gebäude vorbei hinter die Garage. Aber auch dort fand er kein zugängliches Fenster, das einen Blick erlaubt hätte, nur in gut zwei Meter Höhe war ein schmales Oberlicht. Steiger sah sich um, aber etwas wirklich Brauchbares war nicht greifbar. Im Gebüsch ein paar Meter weiter entdeckte er eine ziemlich heruntergekommene Schubkarre, die er aufrecht an die Wand stellte. Mit wenig Vertrauen bestieg er die wackelige Konstruktion, aber sie hielt. Er sah durch das kleine Fenster in eine Garage, in der drei Autos standen. Ein Jeep, eine dunkle BMW -Limousine und ein silberfarbener Passat Kombi. Alle Autos hatten niederländische Kennzeichen, aber was für Steiger noch wichtiger war: Die Garage war voll, es gab keinen Platz für ein viertes Auto. Er tastete seine Taschen ab, so gut das mit einer Hand ging, fand aber nichts zu schreiben. In seiner Manteltasche war der Rest eines alten Ikea-Stiftes, fiel ihm ein, aber das half ihm jetzt nicht. Er brauchte den Halter dieses Autos, und ihm fielen nur zwei Menschen ein, die er jetzt anrufen konnte. Batto hatte keinen Dienst, wenn er
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