Splitter im Auge - Kriminalroman
einem Dienstjubiläum hatte sie ihm einmal erzählt, dass alle ihre Vorgesetzten sie gedrängt hatten, sich für den höheren Dienst zu bewerben, aber damals sei ihre Tochter geboren worden, und das sei ihr wichtiger gewesen. Batto war sich sicher, dass das ein Verlust für die Behörde war, und er hätte darauf geschworen, dass Gisa es auch hasste, Beurteilungen zu schreiben.
»Hallo, Gisa, guten Morgen«, sagte er.
»Morgen, Batto, störe ich?«
»Du bist eine willkommene Unterbrechung, Mädchen, ich bin grad’ dabei, Beurteilungen zu schreiben.«
»O Gott, das habe ich gerade hinter mir«, sagte sie, »und ich hasse es.«
Batto nickte stumm und mit einem Gefühl tiefer Verbundenheit.
»Aber ich rufe aus einem ganz anderen Grund an. Sag mal, hast du eine Ahnung, wo Steiger sein könnte? Ihr zwei seid doch befreundet. Wir hatten heute ganz früh einen Einsatz mit allen Leuten, und er wusste das, war aber nicht da und hat sich auch noch nicht gemeldet. Das kenne ich nicht von ihm.«
In diesem Augenblick dachte Batto wieder daran, dass Steiger gestern Abend nicht zum Essen gekommen war und sich ebenfalls nicht gemeldet hatte. Gisa hatte recht, das passte nicht zu ihm.
»Keine Ahnung, Gisa. Ich habe nichts von ihm gehört. Vorgestern habe ich ihn zuletzt gesehen.«
»Hm«, sagte Gisa, »dann weiß ich es auch nicht. So viele Leute gibt es ja nicht, die man nach ihm fragen könnte. Ich glaube, er hat gestern noch versucht, bei einer Kollegin, mit der er öfter fährt, einen holländischen Halter zu erfragen, aber ich bin mir nicht sicher. Dann lass gut sein, Batto, ruhigen Dienst noch.«
»Warte, warte«, sagte er, »was war das mit dem holländischen Halter?«
»Ich nehme an, als sein Spezi hat er dir auch davon erzählt. Der hat hier in den letzten Tagen alle verrückt gemacht, weil er in einer Todesermittlungssache, die seit Monaten geklärt ist …«
»Ja, ich weiß davon«, sagte Batto, »und in der Sache hat er gestern was gemacht?«
»Ich glaube, ja, weil die junge Kollegin einen holländischen Halter abfragen wollte, obwohl ihre Verfahren das überhaupt nicht hergeben. Ich habe ungewollt einen Teil des Telefongesprächs mitbekommen und bin mir sicher, dass sie das für Steiger gemacht hat, obwohl er gestern und vorgestern dienstfrei hatte. Und sie sagt nichts, weil sie ihn nicht in die Pfanne hauen will, nehme ich an.«
Das würde zu ihm passen, dachte Batto. Er erinnerte sich an Zeiten, da hatte er mit dem Sendungsbewusstsein eines Heiligen und der Geduld eines Ackergauls versucht, seinen Freund aus dem tiefen Loch herauszuholen, in das dieser manchmal aus freien Stücken stieg. Und mit den Jahren war das immer öfter der Fall gewesen, so kam es ihm jedenfalls vor. Aber wenn er von einer Sache überzeugt war, hatte Steiger das Kreuz eines Ochsen und ließ sich durch nichts abschrecken. Das hatte Batto immer an ihm bewundert.
»Wann war das?«
»Am Nachmittag, so gegen halb vier.«
»Hast du versucht, ihn auf dem Handy zu erreichen?«
»Natürlich, aber erst heute Morgen, als er nicht kam. Weil, Steiger ist zwar ein eigener Typ und baut auch viel Scheiße, das weißt du besser als ich, aber das hier passt nicht zu ihm.«
Steiger war immer gut dafür, völlig gegen den Strom zu schwimmen, aber wenn er etwas zugesagt hatte, war er zuverlässig wie ein preußischer Beamter, das konnte Batto nur bestätigen.
»Um was für ein Auto ging es denn?«
»Keine Ahnung, ich sagte doch, die Kollegin stellte auf stur.«
Batto verabschiedete sich und sah durch die Scheibe, dass der Kollege am Wachtisch ihm Zeichen gab, nach vorn zu kommen.
»Damenbesuch, ausdrücklich für dich«, sagte er und grinste breit, als Batto das Aquarium verließ.
Vor dem Tresen auf der Bank saß eine alte Frau in heruntergekommenen Klamotten, die für das Wetter viel zu warm waren. Sie stand auf, als sie Batto kommen sah.
»Eliza«, sagte er«, mein Gott, dich habe ich ja lange nicht gesehen, wo hast du dich denn die ganze Zeit versteckt?«
»Der Leo ist weg«, sagte die Frau.
Batto hätte gar nicht sagen können, wie lange er Eliza, die Verrückte, schon kannte, jeder Schutzmann kannte die Penner in seinem Bereich ziemlich gut, und Eliza hatte sich früher meist in der Innenstadt rumgetrieben. Er wusste, dass sie mit Leo, dem Flaschensammler, seit Jahren zusammen war, fast so etwas wie eine Beziehung führte, was in ihren Kreisen eine Seltenheit war. Die beiden schienen etwas aneinander gefunden zu haben, was in manchen
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