Splitter im Auge - Kriminalroman
Momenten größer war als der Sog, sich aus der Wirklichkeit zu schlucken. Er hatte sie schon länger nicht mehr in der Innenstadt gesehen, und auch heute Morgen sah es für ihn so aus, als hätte sie noch nicht viel getrunken.
»Der kommt schon wieder, Eliza, ist doch immer wiedergekommen.«
»Nein, musste er gar nicht, weil er noch nie weg war.«
Batto lachte verlegen, weil er erst jetzt sah, dass sie zitterte, und er es für möglich hielt, dass das nichts mit fehlendem Alkohol, sondern mit ihrer Angst zu tun hatte.
»Wie geht es dir überhaupt und wo seid ihr geblieben? Ich hab’ euch ja Monate nicht gesehen.«
»Wir sind jetzt in Wickede, der Leo hat da ein Haus entdeckt, da sind wir jetzt. Aber er ist weg.«
»Was meinst du damit, er ist weg?«
»Er ist gestern Morgen nicht nach Hause gekommen nach seiner ersten Runde. Das hat er noch nie gemacht, noch nie.«
Batto sah sie an, und er sah, dass sie in Not war.
»Er war noch nie weg?«
»Nein, in fünf Jahren war er keinen Tag weg. Aber jetzt, jetzt steht nur noch sein Fahrrad da.«
»Wo steht sein Fahrrad?«
»An der Tankstelle, und es sind sogar noch Flaschen in den Taschen, die hätte er doch nicht zurückgelassen.«
»An welcher Tankstelle steht sein Fahrrad?«, fragte Batto.
»Wo er die Flaschen immer eintauscht, die Tankstelle an der Wickeder Straße.«
Batto spürte ein leichtes, warmes Pulsieren im Innern. Dortmund-Wickede gehörte nicht zu seinem Wachbereich, und er war sich nicht sicher, ob es an der Wickeder Straße nur eine Tankstelle gab.
»Also, Eliza, du setzt dich jetzt einen Moment hin, ich spreche mit jemandem, und dann sehen wir weiter, okay?
Eliza nickte und setzte ich wieder auf die Holzbank.
»Ach ja«, fragte Batto, bevor er wieder nach hinten ging, »warum kommst du damit überhaupt zu mir, du könntest doch auch in Asseln zur Wache gehen? Ist der Weg nicht so weit.«
»Ich wusste, dass du mir glaubst«, sagte sie, und ihr Gesicht blieb ernst.
Batto sah zuerst nach, ob es gestern Morgen einen Einsatz mit einer verletzten Person an der Wickeder Straße gegeben hatte, und fragte noch bei der Feuerwehr nach, aber es hatte nichts gegeben.
Renate Winkler war in ihrem Büro, blickte so angespannt auf den Bildschirm, dass sie Batto kaum wahrnahm.
»Morgen, Renate«, sagte Batto und kam sofort zur Sache. »Die Vermisstensache Nadine Neumann von gestern, da sagtest du doch, das Mädchen ist an einer Tankstelle an der Wickeder Straße zuletzt gesehen worden.«
»Richtig«, sagte sie, sah ihn jetzt endlich an, lächelte kurz und machte den Eindruck, als sei sie gerade aufgewacht.
»Wie viele Tankstellen gibt es an der Wickeder Straße? Ich meine, da wäre nur eine, oder?«
»Auch richtig, Batto. Ich bin gestern die gesamte Wickeder abgelaufen, und es gibt da definitiv nur diese eine Tankstelle. Die Vermisstensache habe ich übrigens eine Stufe höher gehängt. Wir gehen noch nicht von einem Verbrechen aus, aber irgendwas könnte passiert sein. Nadine wollte sich nämlich an dem Abend mit ihrer besten Freundin im Bus treffen, weil die Freundin ganz in der Nähe in eine Tanzschule geht und nur eine Station weiter eingestiegen ist. Nadine war aber nicht im Bus, hätte den aber locker schaffen können, weil sie rechtzeitig von der Tankstelle losgegangen ist. Ihre Freundin sagt, so was wäre noch nie passiert, ohne dass Nadine eine SMS geschickt hätte. Sie ist also irgendwo zwischen Tankstelle und Busbahnhof abhandengekommen.«
»Was ist mit dem Handy?«
»Wir haben das Handy natürlich orten lassen, aber es ist anscheinend ausgeschaltet. Zuletzt angerufen hat sie von der Tankstelle, eine Stunde, bevor sie zum Bus ging.« Renate Winkler lehnte sich zurück und rieb sich die Augen. »Dieses verdammte Videogucken macht einen völlig müde. Das sind übrigens die CD s von der Überwachungskamera der Tankstelle, und ich sehe sie grad’ durch, ob irgendwas Auffälliges zu erkennen ist, aber bis jetzt sieht man nur Leute, die tanken und drinnen bezahlen.«
»Von welchen Tagen sind die Filme?«, fragte er.
»Ich habe die CD s der letzten drei Tage, wobei gestern nicht so relevant ist.«
»Doch, könnte relevant sein«, sagte Batto. »Möchtest du mal zehn Minuten eine Pause machen, und darf ich dann mal?«
Renate Winkler sah ihn an, zuckte mit den Schultern und überließ ihm ihren Platz mit einer freundlich-verständnislosen Geste.
»Ich erklär’ es dir sofort«, sagte Batto, ließ sich die richtige CD zeigen und drückte
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