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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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erkennen konnte. Die Sicht nach außen war so verschwommen wie Marcs Blick nach innen. Noch immer hatte er nicht den Hauch einer Ahnung, welche Rolle Sandra in der Inszenierung des Wahnsinns spielte, zu der sie sogar die Drehbuchvorlage geliefert zu haben schien. Ein Drehbuch, das all die Traumata, die er durchlebte, vorwegnahm. Wie war das möglich? Weshalb stand ein Babybett in ihrem Schlafzimmer? Und warum hatte sie ihr Testament ändern lassen wollen, wie der mysteriöse Anwalt behauptet hatte? Andererseits - gab es den überhaupt? Existierte er vielleicht ebenso wenig wie die Klinik, die direkt vor seinen Augen verschwunden war?
    Und selbst dieser unsichtbare Wegweiser führt mich wieder zu Constantin, schlussfolgerte Marc in Gedanken. Schließlich hatte er die Annonce der BleibtreuKlinik in einer Zeitschrift entdeckt, die bei Sandras Vater im Wartezimmer gelegen hatte:
    Lernen zu vergessen.
    Aber was?
    Was wird heute noch geschehen, am dreizehnten November?
    Die Stimme von Professor Haberland hallte in seiner Erinnerung nach: »Erinnern Sie sich an das, was Sie vergessen wollen!«
    Wie sollte er das anstellen?
    Bennys Handy piepte und riss Marc aus seinen Überlegungen.
    »Was ist?«, fragte er, als er sah, wie sich die Miene seines Bruders verfinsterte, nachdem er die SMS gelesen und sein Telefon wieder in die Ablage zwischen den Sitzen gesteckt hatte.
    »Nichts, nur eine Planänderung.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich kann dich nicht länger begleiten, Marc. Ich habe schon viel zu viel Zeit verloren.«
    »Zeit wofür?«
    Benny lächelte traurig. »Das brauchst du nicht zu wissen. Ich habe mir bei den falschen Menschen Geld geborgt und …«
    Plötzlich schrie Emma auf. Gleichzeitig wurde Marc in die Gurte gedrückt und riss die Arme nach oben. »Verdammt, was ist das denn für ein Irrer?«, schrie Benny und hupte wütend. Viel zu spät, um dem Fahrer, der sie gerade geschnitten hatte, mehr als nur ein müdes Lächeln entlocken zu können.
    Marc erstarrte.
    Das Auto, das vor ihnen die Spur wechselte und nun mit halsbrecherischer Geschwindigkeit auf die Ausfahrt Tempelhofer Damm zuraste, war eine kastenförmige Limousine, wie sie zu Tausenden vom Band gelaufen war. Das Kennzeichen war beleuchtet, doch durch Dreck und Matsch nicht zu entziffern. Aber dennoch gab es für Marc keinen Zweifel, wer sie gerade überholt hatte: der gelbe Volvo, den Emma vor dem Polizeirevier fotografiert hatte. Und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit war es eine blonde Frau, die sich vom Beifahrersitz aus zu ihnen umdrehte.
56. Kapitel
    »Hinterher!«, brüllte Marc, und bevor Benny protestieren konnte, griff er ihm schon ins Lenkrad. Der Wagen zog nach rechts. Die Wucht, mit der sie nach vorne geschleudert wurden, glich der eines Auffahrunfalls, doch Benny war lediglich in die Bremsen gestiegen, um die Kontrolle über den Wagen zurückzugewinnen.
    »Was machst du?«, schrie er fast gleichzeitig mit Emma, die sich hinten glücklicherweise angeschnallt hatte.
    »Sandra«, sagte Marc nur und zeigte nach vorne. Hier in der Innenstadt war es wärmer als am Müggelsee, der Schnee zerfloss bereits beim Auftreffen auf dem Asphalt, und die Sicht war deutlich klarer.
    »Wo?« Benny nahm nun notgedrungen die Ausfahrt zum T-Damm.
    »Dort, im Volvo.«
    »Du spinnst.«
    »Bitte!« Marc hörte selbst die Verzweiflung in seiner Stimme. »Tu mir den Gefallen.«
    Sein Bruder schüttelte zwar den Kopf, als könne er selbst nicht begreifen, worauf er sich einließ, beschleunigte dann aber.
    Sie schossen den Tempelhofer Damm herunter, Richtung Platz der Luftbrücke, am stillgelegten Flughafen vorbei. »Sie könnten recht haben!«, bestätigte nun auch Emma, die sich hinten an einem der Haltegriffe über der Tür festhielt. Vor ihnen drängte sich der Volvo vor einen Omnibus, der zwei der drei Spuren für sich beanspruchte. Zusätzlich verengte sich etwa hundert Meter vor ihnen die Fahrbahn durch einen liegengebliebenen Lkw. Im Augenblick war der Volvo nicht mehr zu sehen, auch gab es keine Möglichkeit, weiter nach vorne aufzuschließen. Dennoch jagte Benny mit unveränderter Geschwindigkeit an das Stauende heran.
    »Halt!«, schrie Marc und bereitete sich auf das Schlimmste vor. Doch anstatt langsamer zu werden, riss sein Bruder das Steuer herum und scherte auf den Bürgersteig. Emma begann wieder zu schreien, und das Einzige, was Marc daran hinderte, es ihr gleichzutun, war seine Fassungslosigkeit. Noch vor wenigen Sekunden hatte er

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