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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Minute zu Minute kälter.
    Er schlug den Kragen seiner Lederjacke hoch und rieb sich die Ohren. Sie waren der wetterempfindlichste Teil seines Körpers und reagierten auf Frost stets mit einem ziehenden Schmerz, der sich schnell bis zu den Schläfen ausbreiten würde, wenn er nicht bald ins Warme kam.
    Marc überlegte gerade, ob er die Straßenseite wechseln sollte, um zur U-Bahn zu gehen, als er das Knirschen der Breitreifen hinter sich hörte. Der Fahrer betätigte zweimal kurz die Lichthupe, die Halogenlichter wurden von dem nassen Kopfsteinpflaster reflektiert. Marc blieb auf seiner Seite des Bürgersteigs und lief schneller. Wenn er eines durch seine Arbeit auf der Straße gelernt hatte, dann, dass man es in Berlin so lange wie möglich vermeiden sollte, auf Fremde zu reagieren.
    Der Wagen schloss zu ihm auf und verlangsamte dann auf Schritttempo, um fast lautlos neben ihm herzugleiten. Dass der Maybach auf der Gegenspur fuhr, schien den Fahrer nicht zu kümmern. Das Fahrzeug war ohnehin so breit, dass ein entgegenkommendes Auto hier nicht an ihm vorbeikonnte.
    Marc hörte das typische Surren einer elektrischen Fensterscheibe. Dann flüsterte eine heisere Frauenstimme seinen Namen. »Dr. Lucas?«
    Sie klang freundlich und ein wenig kraftlos, also riskierte er einen Blick aus den Augenwinkeln und war erstaunt, dass es sich bei der Sprecherin um einen älteren Mann handelte. Er schien weit über sechzig zu sein, vielleicht sogar über siebzig. Während die meisten Stimmen im Alter tiefer wurden, war bei ihm offensichtlich das Gegenteil eingetreten.
    Marc beschleunigte seinen Schritt, als er den Mann am Nadelstreifenanzug wieder erkannte. Er hatte ihm vorhin vom Beckenrand aus zugewinkt.
    Verdammt, werde ich heute denn nur von Spinnern verfolgt?
    »Dr. Marc Lucas, zweiunddreißig Jahre alt, wohnhaft in der Steinmetzstraße 67 A in Schöneberg?«
    Der Alte saß auf einem hellen Ledersitz mit dem Rücken zur Fahrtrichtung. Offenbar war der Innenraum der Limousine so groß, dass man sich im Fond gegenübersitzen konnte.
    »Wer will das wissen?«, fragte Marc, ohne aufzusehen. Sein Gefühl sagte ihm, dass der Unbekannte mit den weißen Haaren und den wild wuchernden, daumendicken Augenbrauen keine Bedrohung darstellte. Aber das hieß noch lange nicht, dass er nicht der Bote schlechter Nachrichten sein konnte. Und von denen hatte er in den letzten Wochen weiß Gott mehr als genug erhalten.
    Der Alte räusperte sich, dann sagte er kaum hörbar: »Der Marc Lucas, der seine schwangere Frau getötet hat?«
    Marc erstarrte. Von einer Sekunde auf die andere war es ihm nicht mehr möglich, weiterzugehen. Die feuchte Herbstluft war zu einer undurchlässigen Glaswand geworden.
    Er drehte sich zu dem Wagen, dessen Hintertür langsam aufschwang. Ein sanfter elektronischer Warnton summte rhythmisch auf, wie wenn sich jemand nicht angeschnallt hatte.
    »Was wollen Sie von mir?«, fragte Marc, als er seine Stimme wieder gefunden hatte. Er klang jetzt fast so heiser wie der Unbekannte im Wagen.
    »Sandra und das Baby sind jetzt wie lange tot? Sechs Wochen?«
    Marc stiegen die Tränen in die Augen. »Warum tun Sie mir das an?«
    »Kommen Sie, steigen Sie ein.«
    Der Alte lächelte gutmütig und klopfte auf den Sitz neben sich.
    »Ich bringe Sie zu einem Ort, an dem Sie das alles ungeschehen machen können.«
5. Kapitel
    Durch die getönten Scheiben des Maybachs wirkten die lautlos an ihnen vorbeifliegenden Häuserwände wie die unwirklichen Aufbauten einer Filmkulisse. Im schallgeschützten Inneren dieser Luxuslimousine war es schwer vorstellbar, dass hinter den schmutzigen Fassaden da draußen echte Menschen lebten. Oder dass die Passanten am Straßenrand keine Statisten waren. Weder der Rentner, der die Abfalleimer nach Pfandflaschen durchwühlte, noch die Gruppe Schulschwänzer, die gerade den Einkaufswagen einer Obdachlosen umkippen wollten. Natürlich gab es auch unauffällige Subjekte, die sich ihren Weg durch den einsetzenden Regen kämpften. Aber selbst die schienen in einer verlorenen Parallelwelt zu leben, aus der Marc entkommen war, seitdem er hier im Wagen des Unbekannten Platz genommen hatte.
    »Wer sind Sie?«, fragte er und beugte sich nach vorn. Sofort passten sich die hydraulischen Luftkissen des ergonomisch geformten Ledersitzes seiner neuen Körperhaltung an. Statt einer Antwort reichte ihm der alte Mann eine Visitenkarte. Sie war ungewöhnlich dick, etwa so wie ein doppelt gefalteter Geldschein. Marc hätte darauf

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