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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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hielt mit den Armen das Gleichgewicht. Noch.
    Diesmal drehte sich Marc nicht zu der aufstöhnenden Menge in seinem Rücken um. Der Lautstärke nach hatten sich zu den Männern der Polizei und der Feuerwehr zahlreiche Schaulustige gesellt.
    »Auf jeden Fall hätte ich ebenso viel Grund zum Springen wie du«, sagte er.
    »Du laberst doch jetzt nur irgend eine Scheiße, um mich abzuhalten.«
    »Ach ja? Wie lange kommst du jetzt schon zum ‚Strand‘, Julia?«
    Marc mochte den Namen, den die Straßenkinder seinem Büro an der Hasenheide gegeben hatten. Strand. Das klang optimistisch und passte doch zu dem menschlichen Treibgut, das die Welle des Schicksals Tag für Tag in sein Büro spülte. Offiziell hieß die Zentrale natürlich anders. Aber selbst in den Akten des Senats war schon lange nicht mehr von der »Jugendsprechstelle Neukölln« die Rede.
    »Wie lange kennen wir uns ?«, fragte er noch einmal. »Keine Ahnung.«
    »Es sind jetzt anderthalb Jahre, Julia. Hab ich dir in dieser Zeit jemals irgend eine Scheiße erzählt?«
    »Weiß nicht.«
    »Habe ich dich ein einziges Mal angelogen? Oder versucht, deine Eltern oder Lehrer zu informieren?« Sie schüttelte den Kopf, zumindest glaubte er das von hier unten zu erkennen. Ihre pechschwarzen Haare fielen ihr über die Schultern.
    »Hab ich irgendjemandem erzählt, wo du anschaffst oder wo du pennst?«
    »Nein.«
    Marc wusste, wenn Julia jetzt sprang, würde er sich genau deswegen rechtfertigen müssen. Doch sollte es ihm gelingen, diesen cracksüchtigen Teenager vom Selbstmord abzuhalten, dann war das einzig und allein dem Umstand zu verdanken, dass er in all den Monaten zuvor ihr Vertrauen gewonnen hatte. Er machte den Menschen keinen Vorwurf, die das nicht verstanden - seinen Freunden beispielsweise, die bis heute nicht begreifen konnten, warum er sein Jurastudium an Asoziale verschwendete, wie sie es nannten, anstatt es in einer Großkanzlei zu Geld zu machen.
    »Du warst nicht da. Sechs Wochen lang«, sagte Julia trotzig.
    »Hör zu, ich stecke nicht in deiner Haut. Ich lebe nicht in deiner Welt. Aber ich habe auch meine Probleme. Und die sind im Augenblick so groß, dass viele andere sich schon längst das Leben genommen hätten.« Oben ruderte Julia wieder mit den Armen. Von hier unten sah es so aus, als wären ihre Ellbogen verdreckt. Aber Marc wusste, dass der dunkle Schorf von den Narben herrührte, die sie sich selbst zufügte. Es war nicht das erste Mal, dass eine Ritzerin Ernst machte. Kinder, die sich selbst mit einer Rasierklinge schnitten, um wenigstens irgendein Gefühl zu empfinden, zählten zu den häufigsten Besuchern am »Strand«.
    »Was ist passiert?«, fragte sie leise.
    Er tastete vorsichtig nach dem Pflasterverband im Nacken, den er spätestens übermorgen wieder wechseln lassen musste. »Das ist egal. Meine Scheiße macht deine nicht besser.«
    »Amen.«
    Marc lächelte und sah kurz auf sein Handy, das einen ankommenden Anruf anzeigte. Er drehte sich zur Seite und bemerkte eine Frau in einem schwarzen Trenchcoat, die ihn vom Beckenrand aus mit großen, weit aufgerissenen Augen anstarrte. Offensichtlich war die Polizeipsychologin gerade eingetroffen und mit seiner Herangehensweise nicht ganz einverstanden. Hinter ihr stand ein älterer Mann in einem teuren Nadelstreifenanzug, der ihm freundlich zuwinkte. Er beschloss, beide zu ignorieren.
    »Weißt du noch, was ich dir gesagt habe, als du deinen ersten Entzug abbrechen wolltest, weil die Schmerzen zu stark wurden? Manchmal fühlt es sich falsch an …«
    »… das Richtige zu tun. Ja, ja, dieser blöde Spruch kommt mir mittlerweile zum Arsch raus. Aber weißt du, was? Du irrst dich. Das Leben fühlt sich nicht nur falsch an. Es ist falsch. Und dein dummes Gelaber wird mich jetzt nicht davon abhalten …«
    Julia trat zwei Schritte zurück. Es sah so aus, als wolle sie Anlauf nehmen.
    Die Menge hinter ihm stöhnte auf. Marc ignorierte ein weiteres Anklopfen in der Leitung.
    »Okay, okay, dann warte wenigstens noch einen Augenblick, ja? Ich hab dir was mitgebracht …« Er fingerte einen winzigen iPod aus seiner Jackentasche, stellte ihn auf volle Lautstärke und hielt den Kopfhörer dicht an das Handymikrophon. »Ich hoffe, du kannst was hören«, rief er nach oben. »Was soll das denn jetzt werden?«, fragte Julia. Ihre Stimme klang belegt, als wüsste sie, was jetzt kam. »Du weißt doch, der Film ist erst zu Ende, wenn die Musik läuft.«
    Diesmal hatte er einen ihrer Sprüche zitiert. Die

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