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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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geplatzt«, fuhr er fort. »Unser Auto hat sich zweimal um die eigene Achse gedreht, bevor es … »
    Er versuchte zu lächeln. Aus irgendeinem absurden Grund glaubte er, in der Gegenwart von Fremden die Tragödie herunterspielen zu müssen.
    »In der Senner-Klinik bin ich wieder aufgewacht, und den Rest können Sie ja nachlesen.«
    Bleibtreu nickte. »Wie fühlen Sie sich seitdem?« Marc griff zu dem Wasserglas, das schon fast leer war. Doch zum Nachschenken fehlte ihm die Kraft. Wie man sich so fühlt, wenn man seine Frau und seinen ungeborenen Sohn auf dem Gewissen hat. »Ich bin müde, schlapp. Jede Bewegung fällt mir schwer. Ich habe Schmerzen in den Gelenken und im Kopf.« Er versuchte zu lachen. »Stecken Sie mich in ein Altersheim, und ich habe jede Menge Gesprächsstoff.«
    »Typische Anzeichen einer schweren Depression.«
    »Oder jeder anderen tödlichen Krankheit. Ich habe die Symptome mal gegoogelt. Als Erstes poppte Bannerwerbung für Bestattungsinstitute und Sarghändler auf.« Bleibtreu zog die linke Augenbraue hoch und rief damit eine weitere Erinnerung an seine Frau hervor. Sandra hatte von Natur aus hoch geschwungene Brauen gehabt, die ihr einen permanent überraschten Gesichtsausdruck verliehen. »Und die Beschwerden haben Sie erst seit dem Unfall?« Marc zögerte mit der Antwort. Tatsächlich hatte es schon davor Tage gegeben, an denen er sich wie ein ausgewrungenes Handtuch gefühlt hatte, übernächtigt und verkatert, obwohl er nicht einen Tropfen Alkohol angerührt hatte. Constantin war sehr besorgt gewesen und hatte ihn zwei Wochen vor Sandras Tod zu einem Komplettcheck überredet, inklusive Bluttests und Kernspin, dabei jedoch nichts Außergewöhnliches entdecken können.
    »Sagen wir mal so, der Unfall hat meinen Zustand nicht gerade verbessert … »
    Ein helles Schnarren ertönte, und Marc brauchte eine Weile, bis er begriff, dass ihn der Alarm seiner Armbanduhr an die Pillen erinnerte. Er fingerte zwei röhrenförmige Kapseln aus der winzigen Tasche, die aus unerfindlichen Gründen bei den meisten Jeans innerhalb der rechten Hosentasche versteckt ist. Früher hatte er dort Kaugummis aufbewahrt. »Nehmen Sie diese Pillen wegen Ihrer Halsverletzung?«, fragte der Professor, als Marc die Tabletten mit dem letzten Schluck Wasser hinunterspülte. Er nickte und griff instinktiv an seinen Pflasterverband. »Die Ärzte wollen keine Operation riskieren. Der Splitter ist nur klein, aber er liegt dicht an der Halswirbelsäule. Die Pillen, die ich nehme, sollen dafür sorgen, dass der Fremdkörper besser mit dem Muskelgewebe verwächst und sich nicht entzündet oder abgestoßen wird. Wenn das nicht gelingt, müssen sie ihn doch herausschneiden, dann allerdings besteht das Risiko, dass ich vom Hals an abwärts gelähmt bin, wenn ich aus der Narkose erwache.«
    »Tut es weh?«
    »Nein, es juckt bloß.«
    Die wahren Schmerzen saßen tiefer. Im Gegensatz zu dem lächerlichen Splitter hatten sie sich mit einer Axt in seine Seele geschlagen.
    »Gut … », wollte Bleibtreu wieder ansetzen, aber Marc unterbrach ihn.
    »Nein, nichts ist gut. Jetzt ist Schluss. Die Tabletten machen mich hundemüde, und oft wird mir auch übel. Ich muss mich also bald hinlegen, wenn ich Ihnen hier nicht auf das Parkett reihern soll. Außerdem habe ich die Schnauze gestrichen voll. Seitdem ich zu Ihnen ins Auto gestiegen bin, werde ich ständig vertröstet. Und anstatt dass ich mal Antworten erhalte, unterziehen Sie und Ihre Kollegin mich einem regelrechten Verhör. Also, Sie haben jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder ich marschiere jetzt auf der Stelle durch diese Tür … »
    »… oder ich verrate Ihnen endlich unser kleines Geheimnis«, beendete Bleibtreu den Satz. Sein FünfSterneWerbeprospektgrinsen flammte wieder auf. »Also schön, kommen Sie mit.«
    Der Professor presste sich etwas unbeholfen aus seinem Sessel nach oben, ohne dass sein Lächeln schwächer wurde. »Folgen Sie mir. Sie sind vielleicht nur noch wenige Schritte von einem neuen Leben entfernt.«
10. Kapitel
    Das menschliche Gehirn ist kein Archiv«, erklärte Bleibtreu, während er die lederbezogene Tür zu seinem Büro hinter sich schloss. »Es gibt keine Schubladen, die man nach Belieben auf-und zuziehen kann, um Informationen abzulegen oder wieder herauszunehmen.«
    Der Professor nahm hinter einem wuchtigen Schreibtisch Platz, wozu er erst einmal einen Stapel loser Blätter von dem Sessel nehmen musste, die er zu den weiteren Aktenund Bücherbergen zu

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