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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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stemmte sich sogar mit der Schulter gegen das Türblatt. Vergeblich. Er wollte gerade einen dritten Anlauf nehmen, als sein Blick auf das Namensschild neben der Klingel fiel.
    Marc hielt erschüttert inne.
    Wer, um Himmels willen, hat das getan?
    Das Schlüsselbund in seinen Händen begann zu zittern. Er starrte ungläubig auf den geschwungenen Namenszug. Jemand hatte sein Schild durch ein neues ersetzt, auf dem nicht mehr Lucas, sondern Senner stand. Der Mädchenname seiner verstorbenen Frau. Es dauerte eine Schrecksekunde, dann verwandelte sich der Schock in grenzenlose Wut über diesen grausamen Scherz. Er steckte den Schlüssel wieder ins Schloss, rüttelte an der Tür und trat sogar mit den Füßen dagegen, bis er erneut wie paralysiert erstarrte, als er die Geräusche hörte.
    Ist da etwa jemand … ?
    Kein Zweifel. Marc presste das Ohr an die Tür und hörte es laut und deutlich. Schritte. Sie kamen direkt auf ihn zu. Von innen. Aus seiner Wohnung. Aus Wut wurde nackte Angst.
    Er wich in der Sekunde zurück, in der die Tür aufging. Nur für einen kleinen Spalt, soweit es die goldene Sicherheitskette erlaubte. Und dann, in dem Moment, in dem er die Gestalt mit blassen Wangen und ungekämmten Haaren sah, die ihn aus seiner eigenen Wohnung heraus aus traurigen Augen anblickte, hörte die Zeit auf zu fließen.
    Er blinzelte, unfähig, auch nur ein einziges Wort zu sagen. Schloss die Augen, um sicher zu sein. Doch er benötigte keinen zweiten Blick. Er hatte sie bereits an ihrer hochgezogenen Augenbraue erkannt; an ihrem ungläubigen Gesichtsausdruck, als hätte er ihr gerade eben erst gesagt, wie schön er sie fand.
    Direkt vor ihm, nur zehn Zentimeter entfernt, stand sie zum Greifen nah.
    Sandra.
    Die Liebe seines Lebens. Seine hochschwangere Frau.
14. Kapitel
    »Was ist … ? Du kannst doch … ? Bist du … ?« Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, wurde Marcs Stottern mit jedem unvollendeten Satzanfang immer schlimmer.
    »Ja?«, fragte die Frau in der Tür. Sie strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn, und sofort prasselten Hunderte von Erinnerungen gleichzeitig auf ihn herein. Ausgelöst durch den Duft des französischen Honigshampoos, das Sandra so sehr geliebt hatte. Sie ist es.
    »Du bist … hier?«, fragte er, und sein rechtes Bein begann zu zittern, als hätte er eben einen Hürdenlauf hinter sich. Er streckte die Hand nach ihr aus, wollte durch den Türspalt fassen, um sich zu vergewissern, dass er sich nicht mit einem Geist unterhielt. Die Frau wich erschrocken zurück.
    »Was wollen Sie von mir?«
    Statt all der Fragen, die er hatte stellen wollen, brachte er nur ein Wort hervor. »Sandra?«
    »Kennen wir uns?« Die Frau in der Tür kam wieder etwas näher und zog die linke Augenbraue hoch. »Hah.« Er atmete mehr, als dass er lachte. »Warum bist du, ich dachte … Wie kannst du … ?«
    »Entschuldigung, ich habe etwas auf dem Herd«, sagte sie und wollte die Tür wieder zudrücken, doch Marc stellte in letzter Sekunde den Fuß dazwischen. Er spürte, wie seine Zehen gequetscht wurden, und das tat ihm gut, denn der Schmerz verriet, dass es kein Traum war.
    »Ich dachte, du bist tot?«, platzte es aus ihm heraus, und der Frau entglitten vollends die Gesichtszüge. Die Blondine, die so aussah wie seine Ehefrau, die mit dem melodischen Tonfall ihrer Stimme sprach und die das weiße Tanktop trug, das er erst vor wenigen Wochen in dem Geschäft für Umstandsmoden für sie gekauft hatte, stemmte sich jetzt mit aller Macht von innen gegen die Tür und rief um Hilfe.
    »Halt, bitte.«
    Marc drückte dagegen. »Ich bin’s doch, Marc.«
    »Bitte gehen Sie.«
    »Marc Lucas, dein Ehemann.«
    »Ich kenne Sie nicht.«
    »Was? Liebling, ich, du kannst nicht einfach so wieder auftauchen und dann … »
    »Verschwinden Sie.«
    »Aber … »
    »Sofort, oder ich rufe die Polizei.«
    Sie brüllte jetzt, und Marc wich zurück. Zurück vor dem kalten Ausdruck in ihren Augen und vor der bitteren Erkenntnis, dass sie es ernst meinte. Seine Frau, die seit sechs Wochen tot war, hatte keine Ahnung, wem sie gegenüberstand. Sie sah in ihm einen Fremden. Schlimmer. Sie betrachtete ihn mit dem Blick, wie man einen Unbekannten mustert, vor dem man sich fürchtet.
    »Sandra, bitte erklär mir, was … »
    Er kam nicht mehr dazu, den Satz zu vollenden. Marc sprach bereits mit der geschlossenen Tür.
15. Kapitel
    Nicht wahrhaben wollen. Verdrängung. Leugnen. Er wankte kraftlos die Treppenstufen hinunter und fragte sich,

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