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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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nicht perfekt, aber immer noch harmonischer war als die von Valka. Im ersten Jahr spielten sie so schlecht, dass Eddys Vater witzelte, sie würden sein Geschäft ruinieren, wenn sie die Toten wieder aufweckten. Dann kamen die ersten Auftritte in der Schule, auf privaten Feten und auf Betriebsfesten. Sie wurden nicht besser, aber bekannter - und damit begann das Elend.
    Damals gab es noch keine Gangs nach amerikanischen Vorbildern. Niemand hatte Schusswaffen, und Straßenkämpfe wurden mit Fäusten und nicht mit Messern ausgetragen. Aber mit jedem Konzert wuchs die Rivalität zu den anderen Schülerbands. Ganz besonders heftig war die Konkurrenz zu den Psychs, deren Sound mehr nach Baustellenlärm als nach Rockabilly-Musik klang. Gleichzeitig avancierte Benny immer mehr zum Außenseiter, je beliebter sein Bruder wurde. Mit den langen Wimpern, den gelockten Haaren und den weichen Gesichtszügen sah Benny aus wie das perfekte Opfer; jemand, der besser auf den Platz eines Zehlendorfer Tennisclubs als vor den Tischkicker eines Neuköllner Jugendfreizeitheims gehört hätte. Früher hatte Marc versucht, ihn zu schützen; hatte ihn unabhängig von seinem eigenen Stundenplan auf dem Schulweg mit der U-Bahn begleitet. Doch nun konnte er nicht mehr immer zur Stelle sein. Schon gar nicht, wenn sie probten oder einen Auftritt hatten. Und so kam es, wie es kommen musste. Eines Abends wurde Benny von zwei Mitglie-dern der Psychs verdroschen. Es dauerte eine Woche, bis er wieder gehen konnte. Eine weitere, bis sein ausgerenkter Kiefer nicht mehr schmerzte.
    Marc tobte vor Wut. Die Schweine hatten sich das schwächste Glied in der Kette ausgesucht. An jenem Tag erarbeitete er mit Valka zwei folgenschwere Pläne, mit denen die Tragödie ihren Lauf nahm: Zum einen machten sie Benny zum Mitglied der Band. Er konnte zwar kein Instrument halten, seine Begabung lag, wenn überhaupt, auf dem Gebiet der bildenden Kunst, aber das war auch gar nicht nötig. Ausgerechnet Valka erkannte, dass man Bennys feinfühlige Intelligenz besser nutzen konnte, wenn er ihre Auftritte organisierte, die Gelder verwaltete und mit den Konzertveranstaltern abrechnete. Und so wurde der kleine, sensible Bruder ihr Manager, der ganz nebenbei die melancholischen Texte zu ihren Eigenkompositionen schrieb, auch wenn darauf natürlich niemand achtete. Darüber hinaus verpflichteten sie die stärksten Jungs ihrer Schule als Rausschmeißer, um während ihrer Konzerte vor und hinter der Bühne für die Sicherheit zu sorgen. Das war der Beginn von Valkas Karriere in der Türsteherszene, in der Benny später seinen Platz als Buchhalter finden sollte.
    Benny öffnete die Augen und schrak zusammen, als er im Haus eine Bewegung bemerkte.
    Okay, es geht los.
    Im Wintergarten, der als Arbeitszimmer genutzt wurde, stand ein rundlicher Mann vom Schreibtisch auf.
    Benny nahm sich eine Zeitung vom Beifahrersitz und drehte sie um.
    »Der Tod steht vor der Tür«
    lautete die passende Schlagzeile auf der letzten Seite. Im schwachen Licht, das von der altmodischen Straßenlaterne in seinen Wagen fiel, konnte man kaum ein Wort des Artikels entziffern, was aber auch nicht nötig war. Er kannte ihn auswendig, und er verstand Eddys Wut. Valkas Name wurde darin kein einziges Mal erwähnt, aber es gab keinen Zweifel, wen der Enthüllungsjournalist im Visier hatte. Ken Sukowsky machte seine Hausaufgaben gründlich. Und vermutlich unterbrach er sie gerade nur für einen kurzen Gutenachtkuss, den er seinen Liebsten gab, bevor er einen weiteren Enthüllungsartikel schrieb. Benny legte die Zeitung wieder beiseite und wartete noch eine halbe Stunde. Nachdem alle Lichter bis auf das in Kens Arbeitszimmer erloschen waren, stieg er aus. Er zögerte, als er Ken mit einem Whiskeyglas in der Hand in das erleuchtete Zimmer zurückgehen sah. Zurück an seinen Schreibtisch. Doch dann erinnerte er sich wieder an Valkas Worte und gab sich einen Ruck.
    »Neunzigtausend Euro, Benny. Du hast mich vor vier Wochen angerufen, und ich habe dir den Gefallen getan. Die eine Hälfte habe ich zu dir in den Psychoknast geschmuggelt. Die andere auf dieses tschechische Konto von diesem beschissenen Arzt transferiert. Genau so, wie du es wolltest.«
    Benny öffnete das Gartentörchen und lief an den Laubhäufchen vorbei. Mit jedem Schritt schoss ihm der Schmerz in den rechten Unterschenkel.
    »Ich hab dich gleich gewarnt, das geht schief Aber du hast ja nicht auf mich hören wollen, und jetzt ist der Zaster weg.«
    Benny

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