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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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abgesehen? Warum will man mich in den Wahnsinn treiben?«
    Emmas Augen weiteten sich, und sie sah ihn hoffnungsvoll an, wie ein Prüfer, der von seinem Schüler endlich die richtige Antwort erwartet. »Genau das frage ich Sie. Welches tödliche Wissen tragen Sie mit sich herum, an das Sie sich nicht erinnern können?«
    »Tödlich?«
    Sie atmete tief aus. »Ja, was glauben Sie denn, weshalb ich auf der Flucht bin? Wir sind in höchster Gefahr. In uns steckt ein Geheimnis, das wir vergessen sollen. Unsere Gegner sind sicherlich mächtiger als wir. Aber gemeinsam können wir es vielleicht schaffen.«
    »Was schaffen?«
    »Wir finden heraus, was sie mit uns anstellen oder angestellt haben. Dann dokumentieren wir es und stellen die Beweise ins Internet. Wir machen die schreckliche Wahrheit öffentlich.«
    Marc sah auf seine Armbanduhr und fragte sich nicht zum ersten Mal, ob irgendwann ein Wecker klingeln und ihn aus diesem Alptraum befreien würde. »Wissen Sie, wie verrückt Sie sich gerade anhören?«
    »Garantiert nicht so verrückt wie der Mann, der auf Bleibtreu eingeredet hat.«
    »Wieso?« Sein Magen füllte sich mit Säure. »Was hat er denn noch gesagt?«
    Emmas Hände begannen zu zittern, als sie sie vor den Mund nahm, als könne sie dadurch die Wucht ihrer Worte mildern. »Er hat gesagt: >Marc Lucas darf sich nicht erinnern - oder es gibt noch mehr Tote.<<<
26. Kapitel
    Der Hahn für das Heißwasser funktionierte nicht. Aus dem anderen schoss der Strahl wie aus einer Zapfsäule für Lkw-Diesel, und das Wasser war so kalt, dass die Aspirin-Tablette sich nicht auflösen wollte, die Marc in den Zahnputzbecher geworfen hatte. Das Badezimmer des Hotels war ein fensterloser, mit dünnen Rigipswänden vom Rest des Raums abgeteilter Verschlag, der allenfalls für eine optische, nicht aber für eine akustische Privatsphäre sorgte. Man konnte hier drinnen sogar hören, wie Emma im Zimmer weitere Unterlagen in ihren Koffer warf. Welches tödliche Wissen tragen Sie mit sich herum? Er überlegte, ob er ihr von den letzten Minuten vor dem Unfall erzählen sollte. Von dem Moment, in dem Sandra ihren Gurt löste, um etwas von der Rückbank zu holen. Das farblose, grobkörnige Foto, auf dem ich nichts erkennen konnte.
    Aber was sollte diese Sequenz, die ihm eher wie ein Traum als wie eine reale Erinnerung erschien, mit den Schockwellen zu tun haben, in deren Brandung er gerade stand? Wem sollte daran gelegen sein, ihn einer Gehirnwäsche zu unterziehen? Er konnte sich doch ohnehin kaum noch an die letzten Minuten vor dem Aufprall erinnern. Man musste seine Erinnerung nicht löschen; sie hatte sich von ganz allein mit dem Nebel der Schmerz mittel verflüchtigt, die man ihm noch am Unfall ort gegeben hatte.
    Marc öffnete den Spiegelschrank, um nach einer Nagelfeile oder einem anderen länglichen Gegenstand zu suchen, mit dem man das Aspirin besser zerteilen konnte. Aber die Aufmerksamkeit des Hauses beschränkte sich auf einen Zweierpack Kondome mit abgelaufenem Verfallsdatum. Er schloss den Spiegelschrank wieder und erschrak über seinen Anblick. Das Gesicht wirkte, als wäre es von einer seismischen Erschütterung heimgesucht worden, durch die die einzelnen Partien regelrecht abgesackt waren. Seine Augen waren eingefallen, die Tränensäcke hingen nach unten, und selbst die Mundwinkel schienen von der Schwerkraft hinabgezogen zu werden. Es war lange her, dass er sie zu einem Lächeln gezwungen hatte.
    Das Licht der verdreckten Deckenlampe verstärkte den ungesunden Gesamteindruck. Die Farbe seiner Augen und der Haut erinnerte an die eines Gelbsüchtigen.
    Er hielt die Handgelenke unter den eisigen Wasserstrahl. Die Kälte half ihm, seine Gedanken zu ordnen. Wenn es die BleibtreuKlinik und das Amnesieexperiment tatsächlich gab, war er nicht wahnsinnig, sondern zum Spielball einer Verschwörung geworden.
    Das war die gute Nachricht. Die schlechte lautete, dass seine Frau, wenn sie nicht tot war, aktiv an dieser Verschwörung beteiligt sein musste.
    Aber weshalb? Zu welchem Zweck?
    Wieso sollte Sandra ihn so unvorstellbar quälen wollen? Weshalb hatte sie ihren Tod erst vorgetäuscht, um kurz danach wieder aufzuerstehen? Nur um ihn noch mehr zu traumatisieren, indem sie vorgab, ihn nicht zu kennen? War sie zu einer solchen Grausamkeit überhaupt fähig? Sicher, sie war Schauspielerin. Es fiel ihr leicht, anderen etwas vorzumachen. Marc erinnerte sich nur zu gut an ihr erstes öffentliches Date anlässlich einer

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