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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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tötete und ihnen das linke Auge herausschnitt. Bislang war es noch nie gelungen, ein Kind lebend aus den Fängen des »Augensammlers« zu befreien, und das jüngste Ultimatum lief in wenigen Stunden aus.
    »Nein, deswegen bin ich nicht hier«, sagte Mare. Jetzt verstand er auch, weshalb auf dem Polizeiabschnitt 35 selbst um diese Uhrzeit noch eine solche Betriebsamkeit herrschte. Auf den Gängen wuselten Uniformierte und Beamte in Zivil umher, zahlreiche Telefone klingelten gleichzeitig, und der Wartesaal war so voll, dass es kaum noch Stehplätze gab. Nur das Dreierbüro war verwaist, vermutlich, weil alle Ermittler gerade im Einsatz waren.
    Stoya seufzte und sah auf die Bahnhofsuhr über der Tür. »Entschuldigung, ich wurde offenbar falsch informiert. Was wollen Sie dann?«
    Ich will ein Verbrechen melden. Besser gesagt eine Verschwörung.
    Marc hatte die lange Wartezeit genutzt, um über den passenden Einstieg nachzudenken, aber keinen gefunden. Deshalb hatte er sich schließlich entschieden, alle Fragen spontan beantworten zu wollen, was sich jetzt als Fehler erwies. Denn was er zu sagen hatte, klang selbst in seinen Ohren lächerlich. Er konnte den zu erwartenden Dialog beinahe mit sich alleine führen.
    »Sie kommen nicht mehr in Ihre Wohnung?«
    »Ja.« « Warum gehen Sie dann nicht zu einem Schlüsseldienst und stattdessen zur Polizei?«
    »Weil jemand von innen die Tür zuhält.«
    »Wer?«
    »Meine verstorbene Frau … »
    Stoya sah ungeduldig auf die Uhr und wirkte, als wolle ‘er im nächsten Moment von seinem Stuhl aufspringen, also brach Marc das Schweigen. »Ich möchte ein Verbrechen melden.«
    Dann gab er eine Kurzfassung der unerklärlichen Ereignisse, die ihm widerfahren waren, wobei er immer schneller redete, je häufiger die Gesichtsausdrücke des Beamten wechselten. Sie reichten von ungeduldiger Langeweile über erstaunte Ungläubigkeit bis zu unverhohlener Skepsis. Zwischenzeitlich war sich Marc nicht mehr sicher gewesen, ob Stoya ihm überhaupt zuhörte, denn dieser hatte sich auf einmal seine Computertastatur gegriffen und die letzten Minuten mit der Hand auf der Maus auf einen uralten Kastenmonitor gestarrt.
    »Okay … », begann er mit gedehnter Stimme, als Marc zum Ende gekommen war. »Dann habe ich nur noch eine einzige Frage.«
    »Die wäre?«
    »Haben Sie davon noch etwas übrig?«
    »Wovon?«
    »Von den Pillen, die Sie heute genommen haben.« Stoya stand auf und gab einem jungen Polizisten in Uniform ein Zeichen, der gerade zur Tür hereingekommen war.
    »Hören Sie, ich weiß, das klingt absurd … », setzte Marc an, doch Stoya hob milde lächelnd die Hand. »Nein, nein. Keine Sorge, so was höre ich jeden Tag.« Marc stand ebenfalls auf. »Bitte, können Sie nicht einen Beamten zu mir nach Hause schicken, damit er meine Wohnung überprüft?«
    Der junge Polizist stand jetzt direkt neben Marc und wartete auf Anweisungen seines Vorgesetzten. Er roch nach einer Mischung aus warmem Schlaf und billigem Aftershave. Vermutlich hatte er sich gerade in einer Besenkammer eine Viertelstunde aufs Ohr gehauen und dann ein Rasierwasserbad genommen, um wieder frisch zu werden.
    »Für so einen Blödsinn fehlt mir die Zeit. Gerade heute.«
    »Okay, dann checken Sie wenigstens meine Identität. Damit ich weiß, ob ich wirklich geisteskrank oder vielleicht doch das Opfer einer Straftat geworden bin.«
    Stoya griff sich seine Tasse und ging zur Tür. »Nun, das habe ich schon getan.«
    »Was?«
    Marc spürte den warmen Atem des jungen Polizisten in seinem Nacken, der ihn übereifrig zum Ausgang schieben wollte.
    »Ich habe Ihre Angaben überprüft, und deshalb wird sich mein Kollege hier jetzt um Sie kümmern.« Stoya öffnete die Tür und trat in den Gang. Stimmengewirr füllte das Büro. »Ich muss zwei kleine Kinder retten. Da bleibt mir leider keine Zeit für einen Ladendiebstahl.«
    »Ladendiebstahl ?«, wiederholte Marc fassungslos und schüttelte die Hand des jungen Polizisten ab.
    »Apotheker können es mitunter nicht leiden, wenn man für ihre Medikamente nicht bezahlen will.«
    »Nein, das ist ein Missverständnis. Das war an der Hasenheide, richtig? Ich hab extra meine Kreditkarte dagelassen.«
    »Die nicht mehr funktioniert.«
    »Verdammt, aber deswegen bin ich nicht hier.«
    »Also schön. Dann eben Klartext: Ich weiß, welche Medikamente Sie nehmen. Aus der Anzeige geht hervor, dass Sie nach schwersten Psychopharmaka verlangt haben.«
    »Wie bitte?« Marc fasste sich an den Nacken.

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