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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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durchnässt gewesen, dass er den achtlos hineingeworfenen Inhalt nicht länger hatte halten können. Ausgerechnet die letzte Kiste, die er ohnehin für den Sperrmüll hatte stehen lassen wollen. Er war so wütend auf sich gewesen, dass er danach den Karton mit Balkonpflanzen in voller Absicht gegen die Wohnungstür geschleudert hatte.
    Jähzorn.
    Auch eine neue Eigenschaft, die das Skalpell der Trauer aus ihm herausgeschält hatte.
    »Was ist nur mit mir geschehen?«, murmelte Marc, der mittlerweile ins Wohnzimmer gegangen war, um hier eine Stehlampe anzuschalten, die gleichzeitig als DVD-Ständer fungierte.
    Hier im größten Raum der Zweizimmerwohnung sah es schon besser aus, auch wenn zahlreiche ungeöffnete Kartons über den Fußboden verstreut lagen wie aus einem Hubschrauber abgeworfene Hilfspakete. Da es weder Regale noch Schränke gab, in die er seine wenigen Habseligkeiten hätte einsortieren können, lebte er wie ein Handelsreisender aus dem Koffer. Was er brauchte, nahm er sich direkt aus der Kiste, sofern er es denn fand. Sandra war der praktisch veranlagte Teil in der Beziehung gewesen. Sie hätte die Umzugskisten sicherlich ordentlich beschriftet. Marc hörte, wie im Nebenzimmer eine Schranktür geöffnet wurde, und ließ sich langsam auf eine schwarze Ledercouch sinken, die die Möbelpacker mitten in den Raum mit Blick zum Fenster gestellt hatten. Die dicken Regentropfen, die vom Wind in unregelmäßigen Abständen gegen die Scheiben gedrückt wurden, erzeugten eine unpassend heimelige Atmosphäre hier drinnen, in dem leicht überheizten, dämmrigen Wohnzimmer.
    »Keiner da.«
    Er drehte sich zu Constantin um, dem es gelungen war, trotz seiner genagelten Ledersohlen lautlos ins Zimmer zu kommen.
    »Im Schlafzimmer nicht, auch nicht in Küche und Bad. Sogar unter dem Bett habe ich nachgesehen. Hier ist niemand außer uns.«
31. Kapitel
    »Das kann nicht sein«, sagte Marc erschöpft, obwohl er wusste, dass sein Schwiegervater die Wahrheit sprach. Er hatte es in der Sekunde gewusst, in der sein Schlüssel passte und die Tür aufschwang. Ebenso wie hier im Wohnzimmer sah alles noch genauso aus, wie er es heute Vormittag zurückgelassen hatte.
    Sandra war sicherlich nie eine Pedantin gewesen und hatte ebenso wie er die Gabe besessen, ein aufgeräumtes Zimmer im Handumdrehen in ein Schlachtfeld zu verwandeln. Aber sie liebte Pflanzen über alles und hätte ihren Lieblingsbonsai niemals achtlos herausgerissen und neben seiner Blumenerde liegen gelassen. Und dieser Fakt ließ nur einen Rückschluss zu ’«
    Sandra war nicht hier. War es nie gewesen.
    Marc spürte, wie Constantin sich neben ihn setzte, ohne ihn zu berühren.
    »Ich verliere den Verstand«, flüsterte er mit geschlossenen Augen.
    »Nein, tust du nicht.«
    »Doch.« Marc massierte sich die Schläfen und spürte erst durch den angenehmen Gegendruck wieder die Übelkeit, die ununterbrochen in ihm schwelte. »Ich habe sie gesehen. Ich hätte meine Hand nach ihr ausstrecken und sie berühren können.«
    »Hier, nimm das.«
    Marc sah auf. Sein Schwiegervater musste in der Küche einen Plastikbecher gefunden haben, den er ihm jetzt reichte. Er selbst hatte sich ein geschliffenes Whiskeyglas gegriffen, dessen Rand leicht abgesplittert war. »Trink, es ist nur Wasser. Wenn du unter Schock stehst, benötigst du viel Flüssigkeit.« Die weißen Rillen des dünnen Bechers knackten, als Marc zugriff. Im Zwielicht schimmerte das Wasser wie die Oberfläche eines dunklen Sees, und Marc hielt mitten in der Bewegung inne. »Nur Wasser?«
    »Für wen hältst du mich?«
    Constantin setzte sein Glas auf dem Couchtisch ab. Dann nahm er Marc den Plastikbecher wieder ab und leerte ihn mit einem Zug. »Zufrieden?«
    Er stand auf und sah mit väterlicher Miene auf Marc hinab.
    »Tut mir leid.«
    Constantin nickte und griff sich wieder sein Glas. Auf dem Couchtisch zeichnete sich ein Wasserfleck ab. »Aber ich müsste dir wirklich etwas zur Beruhigung geben. Ich mache mir ernsthaft Sorgen um dich, Marc.«
    »Ich auch.«
    Ich fühle mich wie ein Mensch, der einen Magneten verschluckt hat, der nicht Metall, sondern den Wahnsinn auf sich zieht. Und ich habe große Angst, dass seine Wirkung von Sekunde zu Sekunde stärker wird.
    »Komm, es wird spät. Lass uns in die Klinik fahren.« Constantin stellte das leere Glas passgenau auf den Wasserrand und reichte ihm die Hand, doch Marc schloss wieder die Augen. Schon als kleiner Junge hatte er gelernt, dass er besser nachdenken

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