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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Pappbecher, den Constantin vorhin ausgetrunken und auf den Couchtisch gestellt hatte. Er musste ins Bad; den Kopf unter Wasser halten und endlich die Medikamente nehmen. Constantin antwortete erst, als Marc bereits die Tür des Badezimmers hinter sich geschlossen hatte. »Weil du mich vorhin gefragt hast, warum ich dich immer noch als meinen Sohn betrachte. Eine Tragödie hat manchmal die unglaubliche Kraft, Menschen, die sich lieben, zusammenzuschweißen.«
    »Na prima, dann sag mir mal Bescheid, wenn du mich nicht mehr leiden kannst. Dann bring ich einfach noch jemanden um … »
    Marc sah auf die Stelle an der Wand, an der eigentlich ein Spiegel hätte hängen müssen, während er sich mit beiden Armen auf das Waschbecken stützte. Er war froh, sich auch darum bislang noch nicht gekümmert zu haben. So blieb ihm sein ausgezehrter Anblick erspart.
    »Hör auf, dich hinter deinem Humor zu verstecken. Das ist nichts anderes als Selbstmitleid«, hörte er Constantin dumpf durch die Tür hindurch.
    »So was Ähnliches hat mir heute schon mal jemand gesagt«, murmelte Marc und griff nach dem Wasserhebel. Er wollte ihn gerade nach oben ziehen und das kühle Wasser auf die Innenseite seiner Handgelenke fließen lassen, als sein Blick in den kleinen Spalt zwischen Abfluss und Stöpsel fiel. Was zum Teufel … ?
    Er beugte sich nach unten und zog den zerkratzten Chromstöpsel aus dem Abfluss. Er löste sich mit einem leisen Schmatzen.
    Das gibt es doch nicht.
    An dem schwarzen Ring der Gummidichtung hing ein einziges Haar. Es war etwa fünfzehn Zentimeter lang und kräuselte sich am unteren Ende wie ein Violinschlüssel. Marc fasste sich unbewusst an den Hinterkopf, den er seit vier Tagen nicht mehr rasiert hatte.
    »Constantin«, krächzte er und wiederholte den Namen etwas lauter, als er keine Antwort bekam.
    Also doch.
    Er starrte wie hypnotisiert auf das blonde Haar an seinem Zeigefinger, das nicht von ihm stammen konnte. Seine Hände zitterten, als er es zur Nase führte, und natürlich konnte er nichts riechen. Dennoch war er sich sicher. Sandra.
    Er hatte die Wohnung im renovierten Zustand übernommen, das Waschbecken war nagelneu, und es waren niemals Gäste zu Besuch gewesen.
    Das ist der Beweis. Sie ist hier gewesen.
    Marc schloss die Augen, legte seine zitternde Hand in die andere und atmete tief in die Bauchhöhle. Dann schloss er die Faust um das einzelne Haar wie ein kleines Kind, das ein Geldstück auf dem Weg zum Bäcker umklammert, und eilte aus dem Badezimmer. »Constantin? Ich habe den Beweis. Ich bin nicht verrückt geworden … », rief er und stieß sich auf dem Rückweg zum Wohnzimmer das Knie an einem Metallhocker, der aus einem halbgeöffneten Umzugskarton ragte. Doch der ziehende Schmerz wich blankem Entsetzen, als er ins Wohnzimmer humpelte, dessen Fenster auf einmal sperrangelweit offen stand.
    Das Wohnzimmer, in dem er eben noch mit seinem Schwiegervater auf der Couch gesessen hatte, war leer. Constantin war verschwunden. Und mit ihm das Whiskeyglas und der Wasserrand auf dem Couchtisch.
32. Kapitel
    »Hallo?«
    Marc hatte jedes Zeitgefühl verloren. Er wusste nicht, wie lange er in die regenschwarze Nacht gestarrt hatte. Hier im vierten Stock gab es keine Feuerleiter, keinen Vorsprung, kein Baugerüst oder gar einen Fensterputzerwagen, mit dem man die Wohnung hätte verlassen können.
    »Constantin ?«
    Sein Schwiegervater hatte sich in Luft aufgelöst. Er schloss das Fenster, wankte zum Flur und wollte das Deckenlicht einschalten, aber der Schalter funktionierte nicht. Erst auf den zweiten Blick sah er, dass die Glühbirne nicht mehr in der Fassung steckte. »Hey, wo versteckst du dich?«
    Seine Stimme hallte in dem schlauchförmigen Gang von den bilderlosen Wänden wider.
    Bitte, lass mich aufwachen. Bitte, lass das alles nur einen Traum sein.
    Marc drehte sich zur Wohnungstür und verzog das Gesicht, als er sah, dass die Kette innen vorgelegt war. »Wo bist du?«, flüsterte er mehr zu sich selbst, als ahnte er schon, was er im Schlafzimmer vorfinden würde, nachdem er nun auch die Küche kontrolliert hatte: Nichts.
    Nichts außer einer Doppelmatratze und einem weiteren Umzugskarton, auf dem eine billige Nachttischlampe stand, die er jeden Morgen brennen ließ, damit er spätabends nicht in einem dunklen Zimmer nach dem Kabel mit dem winzigen Schalter suchen musste.
    Doch Marc irrte sich. Und dieser Irrtum ließ ihn vollends an seinem Verstand zweifeln. Denn die Nachttischlampe war

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