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Splitter

Splitter

Titel: Splitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Fitzek
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Er hörte nicht, dass er seine Gedanken laut ausgesprochen hatte, sah es aber an seinem Atem. Die Kälte um ihn herum war keine Einbildung; sie strömte wie flüssiger Stickstoff in die Wohnung. Durch das weitgeöffnete Fenster im Wohnzimmer. Das Fenster, das er gerade eben erst fest verschlossen hatte.
34. Kapitel
    Marc schloss die Wohnungstür von außen ab, obwohl er wusste, dass er damit die unsichtbare Bedrohung nicht zurücklassen würde. Was immer ihn verfolgte, schien sich nicht von physischen Barrieren abhalten zu lassen. Der Wahnsinn war wie ein Nebel, der durch die Fugen der Normalität in sein zersplittertes Leben drang. Und ihm blieb nur die Flucht, um in seinen Schwaden nicht noch mehr die Orientierung zu verlieren.
    Als er die Straße erreichte, ging er davon aus, wieder allein zu sein. Deshalb war er über Emmas Anblick, die tatsächlich in ihrem Wagen auf ihn wartete, beinahe erschrocken. Ihr alter Käfer parkte in zweiter Reihe, und Marc brauchte einen zweiten Blick, um zu realisieren, dass sie damit sein Auto blockierte. Es stand exakt an der Stelle, an der er es vor wenigen Stunden noch gesucht hatte.
    »Kommen Sie schon«, rief sie, während sie in den Rückspiegel sah. Der Motor, der bislang dumpf vor sich hin getuckert hatte, begann zu rasseln, als sie mit dem Durchdrücken des Gaspedals ihre Ungeduld unterstrich, aber Marc war perplex angesichts seines wiederaufgetauchten Wagens. Wie in Trance ging er um Emmas Käfer herum und begaffte den Mini, als hätte er noch nie zuvor in seinem Leben ein Auto gesehen.
    »Was ist?« Der Motor rasselte erneut.
    »Moment«, rief er, ohne sich umzudrehen, und tastete seine Taschen nach dem Autoschlüssel ab, bis er sich daran erinnerte, dass er ihn schon längst von seinem Bund abgemacht hatte.
    Er legte sich die Hände wie Scheuklappen vor das Gesicht und presste sie dicht an die feuchte Scheibe. Kein Zweifel. Das, was sich in den letzten Minuten hier materialisiert haben musste, war sein Auto. Die seit dem Unfall unbenutzte Sporttasche lag zusammengestaucht im Fußraum hinter der Fahrerseite, die Rückbank war mit alten Zeitschriften, einer leeren McDonald’s-Tüte und zahlreichen Pfandflaschen zugemüllt, und im Zigarettenanzünder steckte das verknotete Ladekabel für sein Handy. »Scheiße, verdammt!«, rief Emma wütend und schaltete den Motor aus. Marc hörte die Tür in den Angeln ächzen, als sie hinter ihm ausstieg, während er sich nach einem geeigneten Gegenstand umsah, mit dem er die Scheibe einschlagen könnte.
    »Was machen Sie denn nur? Wir müssen los.«
    »Wohin?«
    Er bückte sich nach einem Pflasterstein, der mehrere Zentimeter aus dem Bürgersteig ragte, und versuchte, ihn aus dem Boden zu lösen. Marcs Finger glitten jedoch immer wieder an den feuchten Kanten ab. »Haben Sie etwas verloren?« Ja, den Verstand. Er sah unter dem Wagen hindurch auf ihre Stiefel. Sie stand neben einer kleinen Pfütze direkt auf der Straße und trat unruhig von einem Bein auf das andere. »Wir können sofort los, ich muss nur noch schnell etwas aus meinem Wagen holen.«
    »Und wieso kriechen Sie dazu auf dem Boden herum?«, fragte Emma, und Marc hörte es klacken. Dann wurde es etwas heller um ihn herum. Im Innenraum seines Autos war das Licht angegangen. Wie zum Teufel hat sie das so schnell geschafft? Marc blinzelte irritiert und stand auf, dann öffnete er die Fahrertür, die ebenso leicht aufschwang wie die, die Emma bereits geöffnet hatte. Er sah sie misstrauisch an.
    »Woher wussten Sie, dass … »
    »Da!« Sie zuckte mit den Achseln und zeigte auf das Zündschloss neben dem Lenkrad. »Der Schlüssel steckt. Sie müssen ihn in der Aufregung vergessen haben.«
    Nein. Auf gar keinen Fall. Ich trage ihn seit Tagen nicht mehr bei mir.
    Er kniete sich mit einem Bein auf den Fahrersitz und beugte sich zum Handschuhfach. Dessen Beleuchtung funktionierte schon lange nicht mehr, dennoch fand er sofort, wonach er suchte, nachdem er die Klappe geöffnet und einen Stapel CDs zur Seite geräumt hatte.
    »Was sind das für Pillen?«
    Ihre Hand griff nach seiner, als er den Plastikstreifen mit den Tabletten herausnehmen wollte.
    »Das geht Sie nichts an«, sagte er etwas unfreundlicher als beabsichtigt, aber der Ton zeigte Wirkung. Sie wich einige Schritte vom Wagen zurück, zog sich die weiße Kapuze wieder über den Kopf und drehte das Gesicht gegen den Wind.
    Als er sich nach hinten zur Rückbank beugte, hörte er, wie sie in ihren Käfer stieg und den Motor

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